Locations
I. Änderungen des Widerrufsrechts bei Verträgen über Dienstleistungen und digitale Inhalte
Die Änderung des Widerrufsrechts betrifft Verbraucherverträge, die die Erbringung von Dienstleistungen oder die Lieferung digitaler Inhalte ohne Zahlungspflicht zum Gegenstand haben.Das Widerrufsrecht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen erlischt mit vollständiger Erbringung der Leistung. Die Regelung erfasst auch Verträge, für die der Verbraucher als Gegenleistung nur personenbezogene Daten zur Verfügung stellt.[2] Das Widerrufsrecht für Verträge, für die eine Gegenleistung vereinbart wurde, bleibt hingegen von den Änderungen unberührt.
Für Verträge über digitale Inhalte, die nicht auf einem dauerhaften Datenträger geliefert werden, erlischt das Widerrufsrecht mit Beginn der Vertragsausfüllung. Wenn eine Gegenleistung vereinbart wurde, erlischt das Widerrufsrecht nur, wenn der Verbraucher der Erfüllung während der Widerrufsfrist ausdrücklich zugestimmt hat und der Unternehmer dem Verbraucher diese Zustimmung - je nach Art des Vertragsschlusses - gemäß § 312f BGB ausdrücklich bestätigt hat.
II. Änderung von Muster-Widerrufsbelehrung und Muster-Widerrufsformular
Auch die in den Anlagen des EGBGB enthaltenen Muster-Widerrufsformulare und Muster-Widerrufsbelehrungen werden angepasst: In der Muster-Widerrufsbelehrung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge wird der Hinweis auf eine Kontaktaufnahme bzw. eines Widerrufs per Telefax gestrichen. Ebenso wird ist im Muster-Widerrufsformular keine Faxnummer mehr anzugeben. Hingegen ist die Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nunmehr zwingend vorgesehen, während sie nach alter Rechtslage nur bei entsprechender Verfügbarkeit anzugeben war.Die Anpassungen müssen zum 28. Mai 2022 erfolgen. Bei einem Verstoß gegen die Vorgaben verlängert sich die Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB auf maximal zwölf Monate und 14 Tage. Zudem muss der Unternehmer mit wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen, wie etwa Abmahnungen, rechnen.
III. Änderungen des UWG
Auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist von den Änderungen betroffen. Unternehmer müssen mehr Transparenz hinsichtlich ihrer Kundenbewertungen, der angebotenen Produkte sowie ihrer Rolle in der Vertragsabwicklung schaffen. Auf diese Weise soll den Verbrauchern eine unabhängige geschäftliche Entscheidung ermöglicht werden.[3] Das Gesetz ergänzt auch die sog. "Schwarze Liste" des UWG, die sich im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG findet, um neue Handlungen, die ausnahmslos eine unzulässige geschäftliche Handlung begründen. Es handelt sich um Handlungen im Zusammenhang mit verdeckter Werbung in Suchergebnissen, dem Weiterverkauf von Eintrittskarten und der Darstellung von Verbraucherbewertungen.- Irreführung durch Verschleierung von "Dual Quality"
- Irreführung durch Unterlassen
- Kundenbewertungen
- Unternehmereigenschaft
- Ranking von Online-Suchergebnissen
IV. Informationspflichten nach Art. 246d EGBGB
Auch die Informationspflichten von Betreibern eines Online-Marktplatzes wurden ausgeweitet, § 312k Abs. 1 BGB n. F. i. V. m. Art. 246d EGBGB. Zuwiderhandlungen sind bußgeldbewehrt, sofern es sich um einen „weitverbreiteten Verstoß" oder einen solchen Verstoß „mit Unions-Dimension" handelt (s. u.).Etwa muss der Betreiber eines Online-Marktplatzes künftig über die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings der vorgeschlagenen Produkte infolge einer Suche sowie über die relative Gewichtung dieser Parameter informieren (Art. 246d § 1 Nr. 1 EGBGB).
Damit Verbraucher erkennen können, ob ihnen die Verbraucherrechte zustehen, müssen Betreiber eines Online-Marktplatzes kennzeichnen, ob von ihnen angebotene Produkte von einem privaten oder einem gewerblichen Anbieter stammen (Art. 246d § 1 Nr. 4 EGBGB).
V. Neue Bußgeldvorschriften im UWG und EGBGB
- § 19 Abs. 1 UWG
Bußgelder können gemäß § 19 Abs. 1 UWG verhängt werden, wenn eine unlautere geschäftliche Handlung i. S. d. § 5c Abs. 2 UWG vorliegt, die Verbraucherinteressen verletzt. Hierzu gehören insbesondere Verstöße gegen die Blacklist (Nr. 1 bis 31 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG), aggressive geschäftliche Handlungen nach § 4a Abs. 1 S. 1 UWG, irreführende geschäftliche Handlungen nach § 5 Abs. 1 oder §5a Abs. 1 UWG sowie fortgesetzte unlautere geschäftliche Handlungen, die bereits gerichtlich untersagt wurden.
Erfasst sind "weitverbreitete Verstöße" und "weitverbreitete Verstöße mit Unions-Dimension". Hierzu muss eine grenzüberschreitende Handlung gegen Unionsrecht zum Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen in mindestens drei Mitgliedstaaten verstoßen. Die Anforderung ist beispielsweise erfüllt, wenn irreführende Werbung bestimmungsgemäß in mehreren Mitgliedsstaaten abrufbar ist oder wenn der Anbieter eines Onlineshops die Lieferung an Verbraucher in anderen Mitgliedsstaaten ermöglicht.[8] Ein Verstoß hat "Unions-Dimension“, wenn mindestens zwei Drittel der Mitgliedstaaten und zwei Drittel der Bevölkerung der EU betroffen sind.
Die Höhe des Bußgelds richtet sich nach dem Jahresumsatz des Unternehmens in dem Mitgliedsstaat, in dem die Verletzung erfolgt. Das Bußgeld ist ab einem Umsatz von EUR 1,25 Mio. auf 4 % des Jahresumsatzes beschränkt. Für handelnde Personen gilt eine Höchstgrenze von EUR 50.000,00, sofern die betroffene Person nicht zugleich der Unternehmer ist.
Verstöße können nur im Rahmen einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme geahndet werden, was die praktische Bedeutung der Bußgeldvorschriften einschränkt.[9] So kann ein Mitgliedsstaat die Teilnahme an einer solchen Aktion etwa ablehnen, wenn wegen desselben Verstoßes gegen den Unternehmer bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet wurde (Art. 18 Abs. 1 lit. a) der VO (EU) 2017/2394). Auch kann der Unternehmer die Verhängung eines Bußgeldes abwenden, indem er eine Zusage zur Einstellung des Verfahrens macht (Art. 20 Abs. 1 der VO (EU) 2017/2394).
- Art. 246e EGBGB
VI. Rechtsbehelfe von Verbrauchern
Gemäß § 9 Abs. 2 UWG kann der Verbraucher Schadensersatz für unzulässige geschäftliche Handlungen verlangen, die der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen hat. Voraussetzung ist ein Verstoß gegen § 3 UWG, infolge dessen der Verbraucher eine geschäftliche Entscheidung getroffen hat, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ausgenommen sind Handlungen nach §§ 3a, 4 und 6 UWG. Die Norm soll Lücken des bürgerlichen Rechts schließen und sicherstellen, dass ein umfassender Rechtsrahmen zur Beseitigung der individuellen Folgen unlauterer geschäftlicher Handlungen besteht. Dem Unternehmer drohen bei Verstößen neben Unterlassungsklagen von Verbrauchern nun auch Schadensersatzklagen nach dem UWG.Besondere Bedeutung kommt der Möglichkeit zu, die Aufhebung des Vertrags (Naturalrestitution) zu verlangen. Auf diese Weise kann sich der Verbraucher ohne Fristsetzung oder Nacherfüllungsverlangen vom Vertrag lösen, was ein besonderes Risiko für den Unternehmer darstellt.[10]
VII. Novelle der Preisangabenverordnung
Die „Omnibus“-Richtlinie sieht zudem eine Anpassung der Preisangaben-Richtlinie (98/6/EG) vor. Die entsprechenden Änderungen der Preisangabenverordnung (PAngV) treten zum 28. Mai 2022 in Kraft. Neben einer grundsätzlichen Umstrukturierung sollen inhaltliche Änderungen die Transparenz von Preisangaben gegenüber Verbrauchern erhöhen.Der Grundpreis muss künftig in der Mengeneinheit „1 Kilogramm bzw. 1 Liter“ sowie „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar" angegeben sein, §§ 4, 5 Abs. 1 PAngV. Die Vorschriften gelten künftig auch für Waren, deren Nenngewicht oder Nennvolumen üblicherweise 250 Gramm oder 250 Milliliter nicht übersteigen. Erleichterungen gelten für den Verkauf leicht verderblicher Lebensmittel, wenn der Gesamtpreis wegen einer „drohenden Gefahr des Verderbs“ oder eines „drohenden Ablaufs der Haltbarkeit“ herabgesetzt wird, § 9 Abs. 3 Nr. 3 PAngV. Auch ist die Höhe des Pfandbetrags ist neben dem Gesamtpreis anzugeben und nicht in diesen einzubeziehen, § 7 PAngV.
Um die Einordnung von Preisermäßigungen zu erleichtern, ist künftig bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung der vorherige Preis anzugeben. Dies ist der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung angewendet hat, § 11 PAngV.
Betreiber „öffentlich zugänglicher Ladepunkte“ für Elektromobile durch Verbraucher müssen am Ladepunkt den „Arbeitspreis je Kilowattstunde“ angeben, in § 14 Abs. 2 PAngV. Alternativ genügt die „Abrufoption für eine Anzeige des Preises auf dem Display eines mobilen Endgerätes“.
Kontakt
Falls Sie Fragen zu diesem Themenbereich oder einem etwaigen Anpassungsbedarf hinsichtlich der in Ihrem Unternehmen verwendeten Website, Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Widerrufsformulare haben, wenden Sie sich bitte an Sara Bandehzadeh, LL.M. (San Francisco) (sara.bandehzadeh@fieldfisher.com) oder - insbesondere bei Fragen zu den Änderungen im UWG - an Dr. Bahne Sievers, LL.M. (London) (bahne.sievers@fieldfisher.com).[1] Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (bmjv.de); Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 auf das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, (bmjv.de).
[2] BT-Drs. 19/27655, S. 27, Drucksache 19/27655 (bundestag.de).
[3] Vgl. BT-Drs. 19/27873, S. 19 f., Drucksache 19/27873 (bundestag.de).
[4] BT-Drs. 19/27873, S. 20, Drucksache 19/27873 (bundestag.de).
[5] BT-Drs. 19/27873, S. 35, Drucksache 19/27873 (bundestag.de).
[6] BT-Drs. 19/27873, S. 20, Drucksache 19/27873 (bundestag.de).
[7] Diese Anbieter sind bereits aufgrund der älteren Verordnung (VO [EU] 2019/1150) zur Offenlegung entsprechender Angaben verpflichtet, NJW 2021, 2233 - beck-online, Rn. 5.
[8] BGH GRUR 2017, 1269 Rn. 19, GRUR 2017, 1269 - beck-online; BGH GRUR 2006, 513 Rn. 22, GRUR 2006, 513 - beck-online.