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Die COVID-19 Pandemie führt zu zahlreichen Einschränkungen, die Wirtschaft und Privatpersonen gleichermaßen treffen. Das "Social Distancing", das weltweit als Methode angewendet wird, um die Übertragung des Virus zu verhindern, lässt sich offenkundig nicht allein auf freiwilliger Basis umsetzen. In Deutschland wurden auf Länderebene Verordnungen und Allgemeinverfügungen erlassen, welche u.a. Versammlungen von Menschen bzw. Veranstaltungen verbieten. Diese gelten zunächst nur für einen bestimmten Zeitraum, nämlich hauptsächlich bis Mitte/Ende April. Ein Ende der Pandemie ist allerdings derzeit nicht in Sicht und eine Lockerung der Maßnahmen wird allenfalls schrittweise erfolgen. Es ist damit zu rechnen, dass Veranstaltungen (z.B. Messen, Tagungen, Fortbildungen, Firmenfeiern, Konzerte) für die nächsten Monate undurchführbar bleiben werden oder allenfalls unter hohen Auflagen stattfinden können. In Anbetracht der Ungewissheit über die Durchführbarkeit von zumeist weit im Voraus geplanten Veranstaltungen entscheiden sich deshalb viele Veranstalter bereits zum jetzigen Zeitpunkt, ihre Veranstaltungen abzusagen oder zu verschieben. Im Verhältnis zwischen dem Veranstalter und seinen Vertragspartnern (z.B. Eventagenturen, Hotels, Vermieter von Veranstaltungsräumen, Cateringdienstleister, Dozenten, Künstler) stellen sich in diesem Zusammenhang einige rechtliche Fragen: Können die Vertragspartner ihre Leistungspflichten erfüllen? Bleiben die Zahlungspflichten des Veranstalters gegenüber den Vertragspartnern trotz Absage der Veranstaltung bestehen? Kann der Veranstalter bereits geleistete Zahlungen herausverlangen? Können die Vertragspartner Stornierungsgebühren geltend machen oder eine Vertragsanpassung verlangen (z.B. die Verschiebung des Events)?
Für die Beantwortung dieser Fragen sind in erster Linie die vertraglichen Vereinbarungen maßgeblich. Es stellt sich darüber hinaus aber auch die Frage nach gesetzlichen Leistungsbefreiungen und Kündigungs- bzw. Rücktrittsrechten. Insofern kommt es für eine rechtliche Beurteilung auf den jeweiligen Vertragstyp an und eine abschließende rechtliche Bewertung kann nur anhand der individuellen Umstände des Einzelfalls erfolgen. Im Folgenden versuchen wir jedoch, die Grundzüge der gesetzlichen Regelungen zu skizzieren und einen allgemeinen Überblick zu geben:
I. Behördliche Untersagung der Veranstaltung am geplanten Termin
- Befreiung der Vertragspartner des Veranstalters von ihrer Leistungspflicht
Das Gesetz kennt allerdings auch Konstellationen, in denen angenommen wird, dass die Leistung nicht nur vorübergehend, sondern endgültig unmöglich ist und die vertraglich geschuldete Leistung deshalb dauerhaft verweigert werden kann. Hiervon ist auszugehen, wenn der Leistungszeitpunkt nach dem Zweck des Vertrages und der Interessenlage für den Gläubiger (d.h. für den Veranstalter) derart wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt, weil die Leistung des Vertragspartners nur zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer eng begrenzten Frist erbracht werden kann (sog. absolutes Fixgeschäft). Dies muss anhand der Umstände des Einzelfalls untersucht werden. Es kommt letztlich darauf an, ob eine Veranstaltung außergewöhnlich zeitsensitiv ist und mit dem Termin "steht und fällt". In vielen Fällen wird eine Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden können und ist somit zeitlich verschiebbar. Die Vertragspartner des Veranstalters müssten ihre Leistungen dann an einem Ersatztermin erbringen (sogenanntes relatives Fixgeschäft).
- Befreiung des Veranstalters von seiner Zahlungspflicht und Rücktrittsmöglichkeiten
Bei einer nur vorübergehenden rechtlichen Unmöglichkeit wird der Veranstalter ebenfalls nur vorübergehend von der Pflicht zur Gegenleistung befreit. Er kann sich jedoch vom Vertrag lösen und den Rücktritt erklären, denn der Vertragspartner ist als Schuldner nicht in der Lage, die vertraglich vereinbarte fällige Leistung zu erbringen (§ 323 BGB). Ein Verschulden seitens des Schuldners ist hierfür nicht erforderlich. Auch eine vorherige Fristsetzung ist i.d.R. entbehrlich, weil die termingerechte Leistung bei den in Rede stehenden Verträgen üblicherweise wesentlich ist (vgl. § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Jedenfalls ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn aufgrund einer Prognose absehbar ist, dass die Leistung auch innerhalb einer angemessenen Nachfrist nicht erbracht werden kann. Davon wäre z.B. auszugehen, wenn ein Ende der Beschränkungen und Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie höchstwahrscheinlich auch über den Zeitraum einer angemessenen Frist hinaus nicht zu erwarten wäre.
Der Veranstalter kann seine Rechte bereits vor dem geplanten Veranstaltungstermin geltend machen, wenn die Veranstaltung innerhalb der Gültigkeitsdauer eines bereits erlassenen Veranstaltungsverbots liegt (§ 323 Abs. 4 BGB bzw. § 326 Abs. 5 BGB). Andernfalls muss anhand einer Prognose bewertet werden, ob die Veranstaltung voraussichtlich nicht zum geplanten Termin stattfinden kann, weil davon auszugehen ist, dass neue behördliche Anordnungen erlassen werden, die Veranstaltungen der vertragsgegenständlichen Art untersagen (siehe hierzu die Hinweise in Ziffer II).
Bei Veranstaltungsverträgen, die z.B. auch die Buchung von Hotelzimmern oder sonstige Teile umfassen, die teilweise noch durchführbar wären und nicht von der Unmöglichkeit erfasst sind (Beispiel: Tagung wird unmöglich, es wurde gleichzeitig im Tagungshotel ein Zimmerkontingent gebucht), kann der Veranstalter u.U. vom gesamten Vertrag zurücktreten oder aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 BGB) zumindest eine Vertragsanpassung verlangen.
II. Geplanter Termin der Veranstaltung nach Ablauf der derzeit gültigen behördlichen Untersagung
- Befreiung der Vertragspartner des Veranstalters von ihrer Leistungspflicht
- Befreiung des Veranstalters von seiner Zahlungspflicht und Rücktrittsmöglichkeiten
Sofern sich ein Vertragspartner des Veranstalters auf eine Leistungsbefreiung aus Gründen der vorsorglichen Infektionsprävention beruft (§ 275 Abs. 3 BGB analog), wird auch der Veranstalter von der Gegenleistung in Form seiner Zahlungspflichten frei (vgl. § 326 BGB) bzw. kann ggf. Rücktrittsrechte - wie oben dargestellt - ausüben.
III. Wegfall der Geschäftsgrundlage
Wenn im Einzelfall eine Leistungsbefreiung bzw. die Ausübung von Rücktrittsrechte nicht in Betracht kommen, insbesondere für Äquivalenzstörungen bei der Vertragsdurchführung, können die Vertragsparteien ggf. aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertrags verlangen (z.B. Verschieben der Veranstaltung oder Durchführung in anderer Form) oder sogar vom Vertrag zurücktreten (vgl. § 313 BGB). Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ist anzunehmen, wenn sich die Umstände, die die Parteien dem Vertrag zugrunde gelegt haben, wesentlich verändert oder als falsch herausgestellt haben.
Durch die COVID-19 Pandemie und die damit verbundenen Änderungen der Rechtslage wurde das allgemeine wirtschaftliche und soziale Gefüge nachhaltig erschüttert, sodass aufgrund eines Wegfalls der sog. "großen Geschäftsgrundlage" in vielen Fällen eine Vertragsanpassung verlangt werden kann. Im Hinblick auf die Risikoverteilung ist nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 313 BGB zu berücksichtigen, dass das Risiko in Fällen des Wegfalls der großen Geschäftsgrundlage (wie vorliegend) nicht allein einer Partei zugewiesen werden darf, sondern eine interessengerechte Lastenteilung vorzunehmen ist, wenn das fundamentale Vertrauen in den Bestand wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen erschüttert ist. In Anbetracht der bestehenden Ausnahmesituation ist davon auszugehen, dass die Gerichte bemüht sein werden, eine angemessene Schadensteilung zwischen den Parteien herbeizuführen.
Nur als ultima ratio besteht ein Rücktritts-/Kündigungsrecht, wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder für den Vertragspartner unzumutbar ist.
IV. Schadensersatz und Stornierungsgebühren
Da Schadensersatzansprüche ein Verschulden voraussetzen, können beide Vertragspartner in der dargestellten Situation i.d.R. keine Ansprüche gegen die jeweils andere Partei geltend machen. Wenn ein Veranstalter von gesetzlichen Rücktrittsrechten Gebrauch macht, können vom Vertragspartner auch keine im Zusammenhang mit vertraglich vereinbarten Rücktrittsmöglichkeiten erhobenen Stornierungsgebühren (unabhängig davon, ob man sie rechtlich als pauschalierten Schadensersatz, Aufwendungsersatz oder Vertragsstrafe qualifiziert) in Rechnung gestellt werden, wie dies aber in der Praxis jedoch häufig geschieht.
V. Leistungsverweigerungsrecht aus dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie
Der Bundesrat hat am 27. März 2020 ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie beschlossen. Unter anderem wird ein Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmer vorgesehen, wenn bei Dauerschuldverhältnissen infolge der COVID-19 Pandemie die Erbringung der Leistung nicht ohne Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts bzw. der wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs möglich wäre. Bei Veranstaltungsverträgen wird es sich in aller Regel jedoch weder um Dauerschuldverhältnisse handeln, noch um Verträge, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge bzw. zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs notwendig sind.
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Da Schadensersatzansprüche ein Verschulden voraussetzen, können beide Vertragspartner in der dargestellten Situation i.d.R. keine Ansprüche gegen die jeweils andere Partei geltend machen. Wenn ein Veranstalter von gesetzlichen Rücktrittsrechten Gebrauch macht, können vom Vertragspartner auch keine im Zusammenhang mit vertraglich vereinbarten Rücktrittsmöglichkeiten erhobenen Stornierungsgebühren (unabhängig davon, ob man sie rechtlich als pauschalierten Schadensersatz, Aufwendungsersatz oder Vertragsstrafe qualifiziert) in Rechnung gestellt werden, wie dies aber in der Praxis jedoch häufig geschieht.
V. Leistungsverweigerungsrecht aus dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie
Der Bundesrat hat am 27. März 2020 ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie beschlossen. Unter anderem wird ein Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmer vorgesehen, wenn bei Dauerschuldverhältnissen infolge der COVID-19 Pandemie die Erbringung der Leistung nicht ohne Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts bzw. der wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs möglich wäre. Bei Veranstaltungsverträgen wird es sich in aller Regel jedoch weder um Dauerschuldverhältnisse handeln, noch um Verträge, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge bzw. zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs notwendig sind.