Staat und Information – Rechtsupdate 1/2021 | Fieldfisher
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Staat und Information – Rechtsupdate 1/2021

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Die komplette Informationsbroschüre
"Staat und Information – Rechtsupdate 1/2021"
können Sie hier als PDF herunterladen.


Das staatliche Informationshandeln hat große Bedeutung.

Auch das Jahr 2021 hat bewiesen: Staatliches Informationshandeln bleibt für die Gesellschaft und die Wirtschaft von großer Bedeutung - seien es Informationen zur Pandemieentwicklung in Deutschland oder Pressemitteilungen zum Erlass von Bußgeldbescheiden gegen Unternehmen, die gegen Rechtsnormen verstoßen: Der Staat bleibt für viele Menschen eine wichtige und verlässliche Quelle für Informationen als Grundlage ihrer Entscheidungen.

Neue Rechtsprechung

Doch das Feld des staatlichen Informationshandelns unterliegt ständigen Rechtsentwicklungen, insbesondere durch die Rechtsprechung. Neue Entscheidungen prägen nicht nur die Anwendung der Bestimmungen der Informationsfreiheitsgesetze wie IFG und UIG, sondern auch die sonstige Öffentlichkeitsarbeit des Staates. Wann darf der Staat selbst ein Internetportal betreiben? Wann darf er über Bußgeldbescheide gegen Unternehmen informieren?

Eine praktische Übersicht

Wir von Fieldfisher arbeiten an der Schnittstelle zwischen Recht und Information. Unsere Anwälte haben in den vergangenen Jahren sowohl Bundesministerien wie Bundesbehörden als auch Unternehmen in den Themen des Presserechts, der Informationsfreiheitsgesetze und dem Recht der sozialen Medien betreut. Aus zahlreichen gerichtlichen Verfahren wissen wir, worauf es ankommt.

Die vorliegende Übersicht soll Ihnen ein schnelles Update zu den wichtigsten rechtlichen Entwicklungen geben. Die Rechtsprechung wird kompakt und übersichtlich dargestellt. Wir zeigen Ihnen weiter auf, welche Kernaussagen Sie aus den Entscheidungen für Ihre Praxis mitnehmen können.

Fieldfisher — ein starker Partner

Fieldfisher ist ein starker Partner an Ihrer Seite. Mit Erfahrung und einer interdisziplinären Praxis beraten wir Sie im Kontext staatlichen Informationshandelns.

  • Gerichtliche Vertretung: Wir vertreten mit großer Prozesserfahrung Ihre Interessen vor allen Gerichten: vom Verwaltungsgericht bis zum Bundesverfassungsgericht.
  • Beratung im Verwaltungsverfahren: Wir beraten und vertreten Sie bei komplexen Anträgen und arbeiten mit Ihnen die richtige Strategie aus.
  • Datenschutz: Wir beraten und vertreten Sie in allen datenschutzrechtlichen Themen als international renommierte Top-Kanzlei.
  • IP und Lizenzrecht: Wir sind an Ihrer Seite, wenn es um Lizenzen, Urheberrechte und sonstige Knowhow-rechtliche Fragen geht.
 


Presserecht Update

Einleitung

Der presserechtliche Auskunftsanspruch beschäftigt häufig die Rechtsprechung und die Medien. Das Bundesverfassungsgericht hat früh betont: Die Presse könne ihre Aufgabe in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nur nachkommen, wenn sie einen Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber dem Staat habe (BVerfG 1 BvF 1/91).

Die Bundesländer haben diesen Auskunftsanspruch in den Landespressegesetzen geregelt. Auf Bundesebene gibt es dagegen kein Bundespressegesetz.  Das Bundesverwaltungsgericht hat der früheren Praxis, auf Bundesbehörden Landespressegesetze analog anzuwenden, eine Absage erteilt. Vielmehr hat das das Bundesverwaltungsgericht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch der Presse gegen Bundesbehörden (sowie Bundesministerien und Verfassungsorgane) aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitet. Bundespresserecht ist damit vor allem durch die Rechtsprechung geprägt und damit das, was im angelsächsischen Raum klassisch als „case law“ bezeichnet werden würde. Auch in 2020/2021 hat sich die Rechtsprechung in diesem Bereich weiterentwickelt. 

Anspruch auf Auskunft der Presse im Beamtenrecht

Auch auf Bundesebene gibt es, wie die jüngste Rechtsprechung zeigt, für die Presse noch fachgesetzliche Auskunftsansprüche. Sie gehen dem verfassungsunmittelbaren Anspruch vor. Dies belegt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.10.2020 (Az.: 2 C 41/18).

Der Kläger dieses Verfahrens ist freier Journalist. Er begehrte vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Auskunft zu dem Disziplinarverfahren gegen einen ehemaligen Referatsleiter mit dem Tarnnamen „Lothar Lingen“, der nach Bekanntwerden der rechtsterroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) die Vernichtung von Akten angeordnet haben soll. Das BfV lehnte es mit Bescheid vom 29.8.2014 ab, Auskünfte zu Disziplinarvorgängen zu erteilen.

In den Vorinstanzen war das BfV durch das VG Berlin und das OVG Berlin-Brandenburg in großen Teilen zur Auskunft verpflichtet worden. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte in seinem Urteil die Vorinstanzen im Wesentlichen.

Das Bundesverwaltungsgericht stützte den Anspruch auf Auskunft auf § 111 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG). Danach können Dritten Auskünfte aus der Personalakte auch ohne Einwilligung des Beamten erteilt werden, wenn dies für den Schutz berechtigter, höherwertiger Interessen des Dritten erforderlich ist. Der als Jedermannsrecht normierte Auskunftsanspruch ist aus Sicht des Gerichts geeignet, die informationsrechtliche Stellung der Presse auszugestalten. Denn die Vorschrift verweist auf eine umfassende Interessenabwägung, in die dann, je nach ihrer Art, unterschiedlich zu gewichtende Anliegen und folglich auch das besonders hohe Informationsinteresse der Presse einfließen kann.   

Hierbei stellte sich zunächst die Frage, was “zwingend erforderlich” in diesem Sinne ist. Findet eine inhaltliche Bewertung des Antrags der Presse statt - etwa dahingehend, ob es sich um eine bedeutsame Angelegenheit handelt? Dem erteilte das Bundesverwaltungsgericht eine klare Absage. Das Merkmal sei vielmehr im Lichte der Pressefreiheit dahingehend auszulegen, dass keine inhaltliche Bewertung des Anliegens der Presse erfolgen dürfe. Vielmehr gelte:  Nicht „zwingend erforderlich“ kann eine von der Presse verlangte Information sein, wenn sie aus anderen öffentlich zugänglichen Informationsquellen anderweitig verfügbar ist.

Verwertungsverbot steht nicht entgegen

Im den Mittelpunkt rückt dann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Interessenabwägung. Hierbei sei zunächst das Verwertungsverbot nach § 16 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) zu berücksichtigen. Danach darf ein Verweis nach zwei Jahren, eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge und eine Kürzung des Ruhegelhalts nach drei Jahren und eine Zurückstufung nach sieben Jahren bei weiteren Disziplinarmaßnahmen und sonstigen Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden. Nach § 16 Abs. 3 BDG sind Eintragungen in die Disziplinarakte über die Disziplinarmaßnahme nach Ablauf der Fristen von Amts wegen zu entfernen. Was gilt nun, wenn die Presse ihren Auskunftsanspruch geltend macht, bevor die Fristen ablaufen, gleichzeitig aber ein gerichtliches Verfahren länger dauert? Wenn die Fristen des § 16 Abs. 1 BDG abgelaufen sind, müsste die Behörde nun eigentlich von Amts wegen den Eintrag vernichten und der presserechtliche Auskunftsanspruch würde dann ins Leere laufen. Die Sache würde sich erledigen.

Auch dieses Problem erkannte das Bundesverwaltungsgericht und führte eine Lösung ein. Der Ausgleich der kollidierenden Rechtspflichten des Dienstherrn kann nur dadurch hergestellt werden, dass der Disziplinarvorgang bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über das Auskunftsersuchen in eine gesonderte Aufbewahrung genommen wird. Damit läuft der presserechtliche Auskunftsanspruch nicht ins Leere.

Besondere Bedeutung der Pressefreiheit

Bei der dann noch erforderlichen Interessenabwägung nach § 111 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BBG komme es auf der einen Seite auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Beamten (Art. 1 I.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und auf Seiten der Behörde auf das öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit von Disziplinarverfahren an. Auf der Seite des Journalisten steht dagegen die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse setzt nach dem Bundesverwaltungsgericht voraus, dass ihre Vertreter in hinreichendem Maß von staatlichen Stellen Auskunft über Angelegenheiten erhalten, die nach ihrem Dafürhalten von öffentlichem Interesse sind. Mit der hohen Bedeutung der Presse für die öffentliche Meinungsbildung in der Demokratie wäre es nicht vereinbar, insoweit eine restriktive Betrachtungsweise an den Tag zu legen. Dem pressespezifischen Informationsinteresse des Klägers sei nach dem Gericht angesichts der hohen Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen des NSU für das Gemeinwesen ein derart überragend großes Gewicht beizumessen. Zu Gunsten der Pressefreiheit fällt ganz maßgebend ins Gewicht, dass im Fokus des Auskunftsverlangens nicht die Person des betroffenen Beamten mit dem Tarnnamen „Lothar Lingen“ steht, sondern das im öffentlichen Interesse liegende Handeln staatlicher Stellen bei der Aufklärung der Verbrechen des NSU. Dahinter trete das Interesse des Beamten an der Wahrung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Interesse der Behörde an der Funktionsfähigkeit von Disziplinarverfahren zurück.
 



Fazit der Entscheidung

Aus der Entscheidung sollten Praktiker das Folgende mitnehmen:

  • Tatsächlich kann für die Presse auch ein Auskunftsanspruch bezüglich Personalakten von Beamten in Betracht kommen. Anspruchsgrundlage ist § 111 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BBG.
  • Hierbei ist der Pressefreiheit eine hohe Bedeutung zuzuweisen.
  • Allerdings ist eine Interessenabwägung im Einzelfall notwendig. Leichtfertige Auskünfte aus der Personalakte sind rechtswidrig. Die Interessenabwägung ist sorgfältig zu dokumentieren.
  • Die Fristen des § 16 BDG dürfen den presserechtlichen Anspruch nicht ins Leere laufen lassen.
 

Anspruch der Presse auf Einsicht in das Grundbuch

Eine kurze, aber prägnante Entscheidung mit Ausstrahlungswirkung traf zuletzt das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 23. Februar 2021, Az.: 17 W 117/21).

Eine Tageszeitung begehrte eine Auskunft vom Grundbuchamt dahingehend, ob eine bestimmte Firma als Eigentümerin eines Grundstücks verzeichnet ist. Das Grundbuchamt lehnte den Antrag mit Hinweis auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Eigentümers ab. Diese Ablehnung bestätigte das Amtsgericht Chemnitz. Das Oberlandesgericht sah die Rechtslage im Beschwerdeverfahren jedoch anders.

Nach § 12 Abs. 1 S. 1 Grundbuchordnung (GBO) ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Der Begriff des „berechtigten Interesses“ sei umfassender als derjenige des „rechtlichen Interesses“. Es genügt, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt. Auch ein öffentliches Interesse kann in Betracht kommen. Zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen kann hiervon ausgehend auch der Presse ein Recht auf Einsicht zustehen.

Dabei sei die Pressefreiheit mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wiederum in Einklang zu bringen. Letzteres verlangt, dass die Interessen des Eigentümers und eine etwaige Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsschutzes einerseits und die presserechtlichen Interessen andererseits im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung in einen Ausgleich gebracht und gegeneinander abgewogen werden. Dabei hat das Zugangsinteresse der Presse Vorrang, wenn es um Fragen geht, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient. Dabei ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen Verdacht hin recherchiert. Hierdurch werden die Interessen des Eigentümers nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt

Interessant ist hier insbesondere die Frage: Sind die Eigentümer vor einer Auskunftserteilung anzuhören? Das ist auch eine Frage, die sich häufig auf Bundesebene stellt. Da es an einem formellen Bundespressegesetz fehlt, stellt sich oft die Frage, ob vor einer Auskunft betroffene Dritte, wie z.B. Unternehmen, angehört werden müssen. Für den Bereich der GBO verneint das OLG Dresden eine solche Anhörungspflicht:  Einer vorherigen Anhörung der Eigentümerin bedurfte es nach dem Gericht nicht. Ihre Interessen fanden im Rahmen der vorgenommenen Abwägung in abstrakt-genereller Weise Berücksichtigung.
 



Fazit der Entscheidung

Praktiker können aus der Entscheidung mitnehmen:

  • Ob es im Presserecht einer Anhörung Dritter vor einer Auskunftserteilung bedarf, richtet sich nach dem jeweiligen Fachgesetz.
  • Regelt dieses keine Anhörung oder fehlt es an einer spezialgesetzlichen Normierung, kann eine Anhörung entbehrlich sein, wenn bei der gebotenen Abwägung zwischen Presse und Rechten Dritter letztere angemessen berücksichtigt werden.
  • Dennoch kann es sich empfehlen, bei besonders sensiblen Angelegenheiten dem Dritten zuvor die Möglichkeit der Stellungnahme zu geben, wenn auch mit sehr kurzen Fristen. Das können die Grundrechtspositionen des Dritten erfordern.
 


IFG & UIG Update

Einleitung

Die Informationsfreiheitsrechte des IFG, UIG und des VIG beschäftigen Behörden und Rechtsprechung regelmäßig. Es gibt viele Anträge, die sich auf politisch und wirtschaftlich sensible Themen beziehen oder in ihrem schieren Umfang für die Behörden kaum zu bewältigen sind.

Die Rechtsprechung neigt dazu, die Informationsfreiheitsrechte weit auszulegen. Ministerien und Behörden müssen aber anderseits nach den gesetzlichen Vorgaben auch staatliche Geheimnisse und vor allem die Daten Dritter schützen, seien es personenbezogene Daten oder Betriebs– und Geschäftsgeheimnisse. Hier müssen Behörden Vorsicht walten lassen: Wer zu schnell Geheimnisse offenbart, handelt gegebenenfalls rechtswidrig.

Wichtig ist es daher, die Rechtsprechung zu kennen und komplexen Anträgen mit Sorgfalt und hoher Expertise von der Materie zu begegnen. Dem dient auch das vorliegende Rechtsupdate. 

IFG: Rechtsmissbräuchliche Antragstellung

Ende 2020 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 24.11.2020 – Az. 10 C 12.19) ausführlich mit Fragen der rechtsmissbräuchlichen Antragstellung bei Informationszugangsanträgen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin stellten für mehr als 500 Antragsteller gleichlautende Anträge bei der BaFin und dem Bundesfinanzministerium. Sowohl das VG Berlin als auch das OVG Berlin-Brandenburg wiesen die Klage und die Berufung hiergegen wegen Rechtsmissbrauchs zurück und entschieden, dass die Prozessbevollmächtigten einzig darauf aus waren, möglichst hohe Gebühren aus vielen Einzelverfahren für sich zu generieren. Hiergegen legte die Klägerin Revision mit der Begründung ein, das Informationsfreiheitsgesetzt (IFG) enthalte keine Missbrauchsklausel.

Unter Verweis auf die Gesetzesbegründung sowie einschlägige Rechtsprechung hat das BVerwG nunmehr entschieden, dass auch im Rahmen des IFG dem Anspruch grundsätzlich der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Antragstellung entgegengehalten werden kann. Hier gelte nichts Anderes als bei anderen Rechtsansprüchen auf die dieser allgemeine Rechtsgedanke Anwendung findet.

Dem steht auch die Voraussetzungslosigkeit des Informationsanspruchs nicht entgegen, da diese lediglich dazu führt, dass der Antrag nicht begründet werden muss. Ein Informationsinteresse an den begehrten Informationen muss dennoch bestehen, wovon jedoch nicht angegangen werden kann, wenn die Anträge ausschließlich gestellt werden, um der Behörde Schaden zuzufügen. Besteht jedoch ein grundsätzliches Interesse an den Informationen hindern auch gleichzeitig vorliegende sachfremde Zwecke die Bescheidung des Antrags nicht. Will die Behörde den Antrag wegen Rechtsmissbrauchs ablehnen, muss sie diesen unter Würdigung aller Gesamtumstände beweisen.

Wesentlich an der vorliegenden Entscheidung ist nunmehr, dass laut BVerwG der Rechtsmissbrauch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht zuzurechnen ist. Eine gegenteilige Auffassung verstößt gegen Bundesrecht. Für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ist es entscheidend, dass der Antragsteller ein eigenes Recht missbraucht. Zwar erfolgt eine Zurechnung von Rechtsmissbrauch im eigenen Mandat eines Antragstellers oder Klägers, das Verhalten außerhalb des eigenen Mandats darf jedoch nicht zugerechnet werden. Daneben lässt die Missbräuchlichkeit eines solchen Antrags das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Missbräuchlich gestellte Klagen sind daher nicht bereits aus diesem Grund unzulässig.
 



Fazit der Entscheidung

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass sorgfältig geprüft werden sollte, ob ein Antrag wegen Rechtsmissbräuchlichkeit abgelehnt wird. Zwar kann sich die Behörde grundsätzlich darauf berufen, auch ohne gesetzliche Anknüpfung im IFG. Sie muss hierfür jedoch alle Gesamtumstände berücksichtigen und schlussendlich beweisen können, dass der Antrag ausschließlich gestellt wurde, um der Behörde Schaden zuzufügen. Dies dürfte regelmäßig sehr schwierig werden, da bereits ein geringes Interesse des Antragstellers an der Information genügt, um den Rechtsmissbrauch auszuhebeln.
 



Verhältnis von IFG zu VgV

In diesem erst kürzlich entschiedenen Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15.12.2020, Az.: 10 C 24.19) ging es zum einen um das Verhältnis der vergaberechtlichen Vorschriften zu Regelungen des IFG. Der Kläger, ein Erfinder, begehrte vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu dessen Förderprogramm für die Luftfahrtforschung zugelassen zu werden. Zuvor hatte er bereits 140 IFG-Anträge sowie über 150 Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben. Das VG Berlin gab dem Antrag hinsichtlich vorhandener Informationen statt und verneinte ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen sowie den Vorrang vergaberechtlicher Vorschriften. Das OVG Berlin-Brandenburg schloss sich dieser Auffassung an.

Das BVerwG hat zunächst zur Frage des Rechtsmissbrauchs entschieden und diesen gestützt auf eigene Rechtsprechung (s.o. BVerwG 24.11.2020 - 10 C 12.19) und zugrundeliegende Gesetzesbegründung sowie Rechtsprechung als nicht gegeben angesehen. Erweitert wird diese Entscheidung nunmehr dahingehend, dass die bloße Anzahl von IFG-Anträgen, gehen sie auch in den dreistelligen Bereich, nicht automatisch zu deren Missbräuchlichkeit führt.

Darüber hinaus hat das BVerwG sodann entschieden, dass vergaberechtliche Vorschriften dem IFG gemäß § 1 Abs. 3 IFG nicht vorgehen und auch keinen Versagungsgrund darstellen, soweit sie nicht selbst einen Informationsanspruch statuieren. Ein Vorrang des vergaberechtlichen Fachrechts vor dem IFG ist nur dann anzunehmen, wenn dieses sachliche Regelungen über den allgemeinen Zugang zu amtlichen Informationen für informationspflichtige Stellen trifft. In Folge dessen gehen vergaberechtliche Vorschriften, die sich auf ein abgeschlossenes Vergabeverfahren und dessen Vertraulichkeit beziehen, dem IFG nicht vor. Gerade solche Vorschriften, die ausschließlich eine Vertraulichkeit der Informationen über das Vergabeverfahren hinaus statuieren, begründen keinen Informationszugang und können dem IFG daher nicht vorgehen.
 



Fazit der Entscheidung

Hinsichtlich der weiteren Entscheidung zur Rechtsmissbräuchlichkeit ergibt sich für die Praxis, dass gerade Plattformen wie fragdenstaat.de eine Vielzahl von gleichartigen Anträgen ermöglichen, diese Anträge jedoch nicht per se rechtsmissbräuchlich sind. Es kommt in jedem Einzelfall auf das dahinterstehende Interesse des Antragstellers an, selbst wenn er eine Vielzahl von Anträgen stellt. Darüber hinaus sollte bei spezialgesetzlichen Regelungen stets geprüft werden, ob diese dem IFG vorgehen können. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie aus sich heraus einen eigenen Informationsanspruch statuieren.
 



UIG und IFG: Gebührenhöhe für Zugang zu amtlichen Informationen

Im Oktober 2020 befasste sich das BVerwG (Urteil vom 13.10.2020, Az.: 10 C 23.19) mit einer weiteren für die Praxis sehr relevanten Thematik, der Gebührenhöhe für den Zugang zu amtlichen Informationen. Das VG Berlin entschied, dass die Gebühren innerhalb des der Behörde zustehenden Ermessensrahmens nach dem Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit festzusetzen seien. Sei der Aufwand äußerst gering, habe sich die Festsetzung der Gebühr am unteren Rand des Gebührenrahmens, im Durchschnittsfall an der Mitte und im Falle maximalen Aufwands an der oberen Grenze zu orientieren.

Das BVerwG erkannte hierin einen Verstoß gegen Bundesrecht, da das VG Berlin mit dieser Auffassung das Ermessen der Behörde über seinen gesetzlichen Prüfungsauftrag hinaus eingeschränkt hat. Zwar handelt es sich bei der vom VG Berlin angewandten Methode durchaus um eine ermessensgerechte Methode. Diese stellt jedoch nicht die einzige Möglichkeit einer ermessensgerechten Gebührenfestsetzung dar.

Im vorliegenden Fall richtet sich die Gebührenberechnung nach § 10 Abs. 2 IFG sowie der Informationsgebührenverordnung. Die konkrete Höhe der festzusetzenden Gebühr liegt innerhalb einer Rahmengebühr im Ermessen der Behörde. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich gemäß § 114 VwGO auf das Vorliegen von Ermessensfehlern. Dabei müssen die Ermessenszwecke berücksichtigt werden. Im Rahmen des § 10 Abs. 2 IFG soll zum einen der Verwaltungsaufwand berücksichtigt werden, zum anderen darf die Gebühr nicht prohibitiv, also abschreckend wirken. Die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes soll nicht kostendeckend erfolgen, die Gebühren sollen objektiv nicht derart hoch sein, dass potentielle Antragsteller ihren Antrag aus Kostengründen nicht stellen.

§ 12 UIG enthält dem IFG im wesentlichen identische Gebührenregeln. Auch dort ist geregelt, dass die Behörde sicherzustellen hat, dass die Gebühren nicht abschreckend und zusätzlich auch unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an den Informationen angemessen sind. An der Gebührenpraxis nach UIG wollte sich der IFG-Gesetzgeber ausdrücklich orientieren (BT-Drs. 15/4493, 16).

Sind die vorgenannten Aspekte der Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes sowie des Verbots der abschreckenden Gebühren in der Ermessenserwägung der Behörde eingestellt, kann sie in der Praxis die Höhe der Gebühr ermessensfehlerfrei festsetzen. Sie muss hierbei ergänzend den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG berücksichtigen.
 



Fazit der Entscheidung

Für die Praxis empfiehlt sich von Anfang an die ausführliche Dokumentation der angefallenen Tätigkeiten und deren Umfang. Hierauf aufbauend lässt sich die Ermessensentscheidung sicherer begründen.
 



UIG: Umweltinformationen aus externen Quellen als “interne Mitteilungen”

Der EuGH hat sich im Januar diesen Jahres (Urteil vom 20.1.2021, Az.: Rs. C-619.19) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens mit der Frage befasst, welche Informationen unter den Begriff der “internen Mitteilungen” fallen.

Hierbei ging es konkret um die Entscheidung, ob “interne Mitteilungen” nur solche Informationen sind, die den Binnenbereich der informationspflichtigen Behörde nicht verlassen haben und ob die Anwendbarkeit des Ausschlussgrundes der “internen Mitteilungen” zeitlich begrenzt ist.

Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Umweltinformationsrichtlinie auf EU-Ebene keine Definition des Begriffs der “internen Mitteilungen” enthält und daher autonom auszulegen ist. Mitteilung meint nach Auffassung des EuGH eine Information, die ein Urheber an einen Adressaten richtet. Intern ist diese Information, wenn sie sich bei der Behörde befindet. Sie muss entweder dort erstellt worden oder eingegangen sein und darf nicht den Binnenbereich der Behörde verlassen haben. Die Information darf folglich nicht Dritten zur Kenntnis gebracht oder öffentlich zugänglich gemacht worden sein. Zudem darf keine Pflicht zur Zugänglichmachung bestanden haben. Auch eine bei einer Behörde vorhandene Umweltinformation, die von einer externen Quelle bei ihr eingegangen ist, kann „intern“ sein, wenn sie der Öffentlichkeit vor ihrem Eingang bei der Behörde nicht zugänglich gemacht wurde oder hätte zugänglich gemacht werden müssen und wenn sie den Binnenbereich dieser Behörde, nachdem sie bei dieser eingegangen ist, nicht verlässt. Dies soll dem Bedürfnis der Behörde nach einem geschützten Raum für Überlegungen und Debatten Rechnung tragen. Eine Einschränkung auf lediglich faktische Informationen, Auffassungen von Behördenmitarbeitern oder nur wesentliche Informationen ist hierbei nicht vorzunehmen.

Eine zeitliche Begrenzung dieses Ausschlussgrundes vermag der EuGH nicht zu erkennen. Er beantwortet jedoch die Vorlagefrage dahingehend, dass es einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Information bedarf. Hierbei müssen die Gründe des Antragstellers und die begehrte Information an sich, sowie die seit Erstellung der Information vergangene Zeit berücksichtigt werden. Zusammengefasst: Der Schutz der Information muss im Zeitpunkt der Antragstellung gerechtfertigt sein.
 



Fazit der Entscheidung

Für die Praxis bedeutet dies, dass innerhalb der Behörde übermittelte Informationen so lange den Schutz “interner Mitteilungen” genießen und nicht zugänglich zu machen sind, wie diese nicht Dritten zur Kenntnis gelangt sind und den Binnenbereich der Behörde verlassen haben oder hätten zugänglich gemacht werden müssen. Die Behörde muss in der Praxis, bei einer ablehnenden Entscheidung die Gründe darlegen, aus denen ihrer Ansicht nach die Bekanntgabe dieser Informationen das Interesse, das durch die geltend gemachten Ausnahmen geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss außerdem bei vernünftiger Betrachtung absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein.
 


 

Staat & Soziale Medien

Keine namentliche Nennung von Unternehmen bei Bußgeldern

Immer häufiger unterrichten staatliche Stellen die Presse oder die Bevölkerung – sogar über soziale Medien – über staatliche Maßnahmen gegen Unternehmen. Besonders negativ wirkt sich für ein Unternehmen dabei eine Information der staatlichen Stellen aus, bei denen es namentlich genannt wird. Die Presse greift solche Informationen häufig direkt auf und berichtet mit namentlicher Nennung des Unternehmens, wenn der Staat z.B. ein Bußgeld gegen dieses wegen vermeintlicher Gesetzesverstöße verhängt hat. Für die Unternehmen bedeutet diese breite Öffentlichkeit häufig einen viel schwereren Schaden als das tatsächlich verhängte Bußgeld. Aus Sicht der Kunden wird das Unternehmen durch die staatlich veranlasste Berichterstattung öffentlich "gebrandmarkt": Besonders häufig sind in den Medien zuletzt Berichte über Bußgeldbescheide der Datenschutzbeauftragten der Länder gegen Unternehmen wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) in den Fokus geraten. Teilweise entsteht der Eindruck, es finde ein nationaler und internationaler "Überbietungswettbewerb" der Datenschutzaufsichtsbehörden statt, wer die schärften Maßnahmen gegen die größten Sünder verhängt. Die staatlichen Maßnahmen sind dabei häufig noch nicht einmal bestandskräftig. Selbst wenn Unternehmen sich gegen aus ihrer Sicht unberechtigte Bußgeldbescheide zur Wehr setzen, kommt es häufig schon zu der öffentlichen Brandmarkung.

Dem hat nun das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster jedenfalls für den Bereich des Telekommunikationsgesetzes (TKG) einen Riegel vorgeschoben (Beschluss vom 17.5.2021, Az.: 13 B 331/21). Der Sachverhalt könnte weit über den Anwendungsbereich des TKG hinaus bedeutsam werden und insbesondere auch für von DS-GVO Bußgeldern oder Aufsichtsmaßnahmen betroffene Unternehmen relevant werden.

Breite Berichterstattung

Die Bundesnetzagentur hatte über einen Bußgeldbescheid gegen einen Call-Center-Betreiber mit einer Pressemitteilung informiert. Diese wurde an die Presse verteilt, auf der Internetseite der Bundesnetzagentur veröffentlicht und sogar auf Twitter von ihr verbreitet. Dagegen setzte sich der betroffene Betreiber im Eilverfahren erfolgreich zur Wehr und konnte nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Unterlassung verlangen. Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, dass die weite Verbreitung der Pressemitteilung über die Internetseite der Bundesagentur unter den gegebenen Umständen einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Antragstellers darstelle, weil sie als staatliche Maßnahme direkt auf die Marktbedingungen eines individualisierten Unternehmens ziele. Sie sei geeignet, das Verhalten der Geschäftspartner des Betreibers direkt negativ zu beeinflussen und verändere damit erheblich die Markt- und Wettbewerbssituation des Betreibers. Dieser erleide dadurch voraussichtlich erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Dem Betreiber stehe daher ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu, weil in seine Grundrechte eingegriffen worden sei.

Amtliche Öffentlichkeitsarbeit ist nicht verboten

Rechtlich knüpfte das Oberverwaltungsgericht konkret an die Verletzung der Berufsfreiheit des betroffenen Unternehmens aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) an. Dabei verkannte das Oberverwaltungsgericht nicht, dass öffentliche Stellen wie die Bundesnetzagentur grundsätzlich auch ohne besondere Ermächtigung berechtigt sind, im Zusammenhang mit der ihnen jeweils zugewiesenen Sachaufgabe Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit durchzuführen. Denn es sei für das demokratische Gemeinwesen wichtig, dass die Bevölkerung über das staatliche Handeln informiert werde. Auch Art. 12 Abs. 1 GG schützt ein Unternehmen grundsätzlich nicht davor, dass der Staat zutreffende und sachlich gehaltene Informationen am Markt verbreite, selbst wenn sich dies für ein Unternehmen nachteilig auf den Wettbewerb auswirke. Kein Unternehmen habe ein Recht darauf, nur so am Markt dargestellt zu werden, wie es das selbst möchte. Wer sich den Wettbewerb aussetzt, muss auch mit negativer, sachlich zutreffender Berichterstattung leben.

Wenn der Staat daher sachlich neutral informiert und Unternehmen nur faktisch, als Reflex des staatlichen Handelns, Nachteile erfahren, reicht das nicht. Beispiel hierfür ist aus Sicht des Verfassers die negative Berichterstattung staatlicher Stellen über die Belastung der Luft mit Schadstoffen aus dem Straßenverkehr, die durch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor entstehen. Dieses sachlich-neutrale Informationshandeln des Staates berührt selbstverständlich die Wettbewerbschancen von Fahrzeugherstellen mit entsprechenden Angeboten am Markt, ist aber nicht individuell gegen diese gerichtet. Hier wirken sich die wettbewerbsrechtlichen Nachteile nur als Reflex aus.

Allerdings muss sich diese Öffentlichkeitsarbeit auf die eigenen Aufgaben- und Kompetenzbereiche beschränken. Außerdem haben sich auch amtliche Äußerungen an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten zu orientieren, die sich insbesondere aus dem Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben. Hieraus leitet sich ein Gebot zur Richtigkeit und Sachlichkeit der amtlichen Information ab. Außerdem können staatliche Neutralitätspflichten zu beachten sein. Kurzum: Einen "Freifahrtschein" für die Veröffentlichung von Pressemitteilungen gibt es für staatliche Aufsichtsbehörden nicht.

Gesetzesgrundlage erforderlich

Das Oberverwaltungsgericht erkannte die Schwere der negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation des Call-Center-Betreibers an, weil eine staatliche Behörde über einen gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid berichtet. Die Berichterstattung richte sich zwar nicht an den Betreiber – insoweit könne kein unmittelbarer Grundrechtseingriff vorliegen -, sei aber ein funktionales Äquivalent, der sich auf eine gesetzliche oder verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage stützen müsse. Im zu entscheidendem Fall war ein solcher Eingriff als funktionales Äquivalent zu einem finalen Eingriff gegeben. Anders als bei staatlichem Informationshandeln, bei denen negative Wettbewerbsbedingungen nur als "Reflex" entstehen, zielte die hier veröffentliche Pressemitteilung auf ein konkret individualisiertes Unternehmen ab. Die Pressemitteilung beeinflusse zweckgerichtet die Entscheidungen der Kunden des Call-Center Betreibers und habe so am Markt die Wettbewerbssituation erheblich negativ verändert.

Daraus kann sich für die Praxis schon jetzt ein wichtiger Schluss ableiten: Werden Unternehmen in der staatlichen Informationstätigkeit individualisiert, gelten für diese hohe rechtliche Anforderungen.

Spezielle Ermächtigungsgrundlage fehlt

Die Bundesetzagentur hat im gerichtlichen Eilverfahren die Gefährlichkeit des vermeintlich rechtswidrigen Verhaltens des Call-Center Betreibers geltend gemacht. Diese habe die als rechtswidrig beanstandete Praxis auch nach Erlass des Bußgeldbescheides fortgesetzt. Das Oberverwaltungsgericht Münster griff letztlich jedoch auf allgemeine Grundrechtslehren zurück: Eingriffe in die Berufsfreiheit bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. An dieser fehle es hier schon aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts.

Es setzte sich dann mit den Normen des TKG auseinander, auf die sich noch das Verwaltungsgericht Köln in der Vorinstanz gestützt hatte. Keine rechtfertige jedoch hier den Eingriff. § 45 Abs. 8 S. 1 TKG ermächtigt die Bundesnetzagentur dazu, auch selber Informationen in ihrem Amtsblatt oder auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen, soweit diese für Endnutzer von Bedeutung sein können. Der Mehrwert einer Veröffentlichung durch die Bundesnetzagentur selbst liegt dabei nach der Vorstellung des Gesetzgebers maßgeblich darin, dass den Verbrauchern Informationen über verschiedene Anbieter auf einer neutralen Plattform zur Verfügung stehen. Damit stehe aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts die Veröffentlichung in einem engen Sachzusammenhang: Voraussetzung einer Veröffentlichung sei, dass die bereitgestellten Informationen wie in § 45n Abs. 1 bis 7 TKG sicherstellen, dass die Endnutzer bei der Wahl eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes oder eines öffentlichen zugänglichen Kommunikationsdienstes über eine volle Sachkenntnis verfügen.

Der Call-Center Betreiber falle schon gar nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm, weil er kein öffentlich zugängliches Telekommunikationsnetz noch einen öffentlich zugänglichen Kommunikationsdienst betreibe. Letztlich könne dies aber offenbleiben. Es spreche Überwiegendes dafür, dass jedenfalls die öffentliche Bekanntmachung bußgeldbewehrter Rechtsverstöße außerhalb dessen liegt, was der Gesetzgeber mit § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG an Informationspolitik intendiert hat.

Die öffentliche Anprangerung begangener Rechtsverstöße ist vom Kreis in § 45n Abs. 1 bis 7 TKG genannten Informationen so weit entfernt, dass eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung zu erwarten wäre, hätte der Gesetzgeber auch hierzu ermächtigen wollen. 

Bußgeld vs. staatliche Maßnahmen

Auch § 67 Abs. 1 TKG greife nicht. Nach dieser Generalklausel könne die Bundesnetzagentur im Rahmen der Nummernverwaltung sämtliche Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen.

An dieser Stelle nimmt das Oberverwaltungsgericht dann eine spannende Wertung vor, die auch für andere Rechtsbereiche interessant sein wird. Die Bundesnetzagentur habe sich auf eine spezialpräventive Wirkung eines Bußgeldes und der Information darüber berufen. Wenn die Öffentlichkeit informiert werde, könne die Erwartung bestehen, dass der Call-Center Betreiber sein Verhalten für die Zukunft ändere. Das überzeugte das Oberverwaltungsgericht nicht: Zunächst sei ein Bußgeld auf ein Verhalten in der Vergangenheit gerichtet, nicht auf eines in der Zukunft. Wenn eine Änderung des Verhaltens für die Zukunft durch eine Information der Öffentlichkeit angestrebt wäre, dann hätte die Bundesnetzagentur vielmehr die Öffentlichkeit vor zukünftigem Fehlverhalten warnen müssen. Aber vor allem erklärt sich nicht, warum die Information über ein Bußgeld an die Öffentlichkeit ein besseres Mittel sei als der Erlass von Aufsichtsmaßnahmen, um das Verhalten des Call-Center Betreibers zu ändern.

Was bringt das Oberverwaltungsgericht damit zum Ausdruck? Vereinfacht gesagt: Öffentliche "Anprangerung" ist kein Ersatz für behördliche Maßnahmen. Wenn eine Aufsichtsbehörde möchte, dass ein Marktteilnehmer in ihrem Zuständigkeitsbereich sein Verhalten ändere, dann bedarf es dazu aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. Diese können nicht dadurch ersetzt werden, dass öffentlicher Druck geschaffen werde.

Gegen die Entscheidung gibt es für die Bundesnetzagentur kein Rechtsmittel. Die Entscheidung in der Hauptsache steht aus, dürfte aber nicht anders ausfallen.
 



Fazit der Entscheidung

Gerade der letzte Aspekt wird für die Praxis eine große Rolle spielen. So neigen die Datenschutzbehörden der Länder erkennbar dazu, auch durch öffentliche Äußerungen das Verhalten von Marktteilnehmern zu steuern. Öffentliche Brandmarkung darf aber nicht an die Stelle von Aufsichtsmaßnahmen treten. Diese Wertung kann auch für die Praxis der DS-GVO in Deutschland erhebliche Auswirkungen haben.

Für staatliche Behörden bedeutet dies nun: Vorsicht, wenn Unternehmen konkret angeprangert werden (oder so beschrieben werden, dass sie leicht identifizierbar sind). Fehlt es an einer konkreten Ermächtigung, kann die Maßnahme rechtswidrig sein – und sogar Amtshaftungsansprüche auslösen.

Betroffene Unternehmen dagegen werden in Zukunft nach dieser Entscheidung genau prüfen, ob sie eine namentliche Anprangerung durch den Staat dulden werden. Es ist mit weiteren Streitigkeiten in dieser Richtung in Zukunft zu rechnen. Denn erkennbar ist: Die Rechtsprechung will jedenfalls nicht ohne gesetzliche Entscheidung mittragen, dass der Staat den öffentlichen Druck nach Brandmarkungen nutzt, um Gesetze durchzusetzen. Dazu muss er weiter auf die gesetzlich geregelten, gerichtlich überprüfbaren Aufsichtsmaßnahmen setzen.
 



Twitter: Löschungsanspruch wg. Tweet gegen den Staat

Einen sehr medienträchtigen Fall entschied das VG Berlin mit Beschluss vom 22.02.2021, Az.: VG 1 L 127/21.

Die Antragstellerin in diesem Fall war eine politische Partei, die derzeit sowohl im Deutschen Bundestag als auch in allen Länderparlamenten und im Europäischen Parlament vertreten ist. Auf der Antragsgegnerseite des Eilverfahrens stand das Bundesministerium des Inneren.

Mitte Januar 2021 berichtete die Tagespresse darüber, dass der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz davorstehe, die Antragstellerin zum Verdachtsfall zu erklären. Hierzu habe der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat aber noch kein grünes Licht gegeben, vielmehr habe er seine Mitarbeiter angewiesen, „sich mit den Experten des Bundesamts (BfV) nochmals gründlich über das rund 1000 Seiten lange geheime Gutachten zu beugen, mit dem die gesamte Partei noch im Januar zum Rechtsextremismus-Verdachtsfall erklärt werden könnte“ (ht).

Einer der Pressesprecher des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat äußerte sich auf seinem Account des Kurznachrichtendienstes Twitter am 28. Januar 2021 wie folgt: „BM S. zum Stand des BfV-Gutachtens zur A.:"Meine Mitarbeiter prüfen das Gutachten gemeinsam mit dem @BfV_Bund in juristischer Hinsicht. Da ist besondere Sorgfalt angesagt. Es gibt keine politischen Vorgaben. Ich möchte aber in überschaubarer Zeit Klarheit haben.“. In der Accountbeschreibung wird hervorgehoben, dass es sich um den Account eines Pressesprechers des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat handelt. Als Impressum wird die offizielle Internetseite des Ministeriums angegeben, die auch verlinkt ist.

Hiergegen wandte sich die politische Partei im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren mit Erfolg.

Das Verwaltungsgericht war der Ansicht, dass das Innenministerium mit dem Tweet zurechenbar in Rechtspositionen der Partei eingegriffen hatte und dieser ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zustehe.

Äußerungen auf Twitter können sind vom objektiven Empfängerhorizont her auszulegen

Rechtsgrundlage für den Unterlassungsanspruch ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Art. 21 Abs. 1 GG mit der darin verfassungsrechtlich gewährleisteten Parteienfreiheit in Form der Betätigungsfreiheit als politische Partei und der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Eine Verletzung dieser Rechte kann insbesondere auch dadurch erfolgen, dass staatliche Organe negative Werturteile über die Ziele und Betätigungen der Partei äußern. Dies sah das Verwaltungsgericht hier als gegeben an. Entscheidend sei dabei nicht, wie der Verfasser des Tweets etwas angeblich gemeint habe—eine wichtige Aussage für die Praxis. Maßgeblich sei vielmehr das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ob etwas nur „zwischen den Zeilen“ zum Ausdruck komme und hineininterpretiert werden müsse, sei dabei unerheblich.

Die Kammer sah es für die Verletzung des Art. 21 GG auch als unerheblich an, dass ein „Prüffall“ eben noch nicht bedeute, dass die Partei tatsächlich verfassungswidrig sei. Das habe niemand festgestellt. Bereits die Berichterstattung darüber, dass eine politische Partei daraufhin geprüft werde, ob jedenfalls hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich bei ihr um eine (rechts-)extremistische Bestrebung handele, greift in die nach Art. 21 Abs. 1 GG geschützte Parteienfreiheit ein, da die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb hierdurch erheblich geschmälert werden.

Fehlen einer spezialgesetzlichen Regelung

Eine Rechtfertigung des Eingriffs in die Rechte der Antragstellerin kam schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage fehle.

Das Bundesverfassungsschutzgesetz enthalte keine Rechtsgrundlage, nach der ein Bericht über einen Prüffall zulässig sei. Dieses erlaubt in § 16 BVerfSchG die Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit erst ab der Stufe des Verdachtsfalls, was voraussetzen würde, dass hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich bei der Antragstellerin um eine (rechts-)extremistische Bestrebung handelt. Dass dies der Fall ist, behauptete das Bundesinnenministerium, das sich in der beanstandeten Äußerung berühmt, das Gutachten zur Frage, ob es sich bei der Antragstellerin um einen Verdachtsfall handele, werde ergebnisoffen geprüft, nicht.

Nun könnte jedoch erwogen werden, auf die verfassungsrechtlich anerkannte Befugnis der Bundesregierung zur Informations– und Öffentlichkeitsarbeit zurückzugreifen. Diese ist in der Rechtsprechung, wenn auch mit gewissen Grenzen, anerkannt. Allein: Das Verwaltungsgericht sah diese Grundsätze als von vornherein gesperrt an. § 16 BVerfSchG entfaltet als Spezialregelung Sperrwirkung gegenüber der Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Wenn der Gesetzgeber eine solche Spezialnorm getroffen habe, sei für einen Rückgriff auf allgemeine Grundsätze kein Raum mehr.

Die beanstandete Äußerung ist aber nach Auffassung des Gerichts auch dann rechtswidrig, wenn sie am Maßstab, den das Bundesverfassungsgericht für die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung aufgestellt hat, gemessen wird. Danach ist es zwar hinzunehmen, dass das Regierungshandeln sich in erheblichem Umfang auf die Wahlchancen der im politischen Wettbewerb stehenden Parteien auswirkt. Davon ist aber der zielgerichtete Eingriff der Bundesregierung in den Wettbewerb der politischen Parteien zu unterscheiden. Es ist der Bundesregierung, auch wenn sie von ihrer Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit Gebrauch macht, von Verfassungswegen versagt, sich mit einzelnen Parteien zu identifizieren und die ihr zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel und Möglichkeiten zu deren Gunsten oder Lasten einzusetzen. 

Dem Antrag im Eilrechtsschutz auf Unterlassung des Tweets wurde daher stattgegeben.
 



Fazit der Entscheidung

Tweets staatlicher Einrichtungen sind Verwaltungshandeln. Greifen sie in verfassungsrechtlich geschützte Positionen ein, müssen sie sich an den allgemeinen Rechtsgrundlagen messen lassen.

Hierbei kann es insbesondere darauf ankommen, ob es eine spezialgesetzliche Ermächtigung für das geplante Informationshandeln gibt. Fehlt es an dieser, ist besondere Vorsicht geboten. Die allgemeine Befugnis der staatlichen Stellen zur Öffentlichkeitsarbeit kann helfen—aber gerade im Wahlkampf ist politische Neutralität zu beachten.
 


 

Kommunale Internetplattformen

Im Fokus der Rechtsprechung bleiben auch kommunale Internetplattformen.

Hintergrund: Viele Städte und Gemeinden bieten lebendige Internetplattformen an. Sie informieren die Menschen nicht nur über Politik und Aktuelles aus der Verwaltung, sondern auch über Wirtschaft, Kultur und gesellschaftliches Engagement in der Region. Einige Kommunen berichten auf ihren Plattformen auch intensive über Sportereignisse.

Aber aus der Pressefreiheit des Grundgesetzes folgt, dass staatlichen Stellen eine Öffentlichkeitsarbeit verboten ist, soweit sie mit privaten Druck- und Presseprodukten in Konkurrenz treten. Je presseähnlicher sie werden, desto eher ist dies der Fall. Das gilt auch dann, wenn die Städte und Gemeinden über eigene Unternehmen die Internetplattform betreiben.

Presse geht nach UWG vor

Presseverlage gehen gegen kommunale Internetplattformen, die das Gebot der Staatsferne verletzen, wettbewerbsrechtlich nach dem UWG vor. Städte und Gemeinden, die in einen Wettbewerb zur Presse treten, werden nach § 3 Abs. 1 UWG wegen Vorsprungs durch Rechtsbruch in Anspruch genommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist das Gebot der Staatsferne deshalb eine Marktverhaltensregel, weil es regelt, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Fall ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben.

Auf der anderen Seite dürfen aber auch die Gemeinden, geschützt durch Art. 28 GG, Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Zwischen beiden Polen—einerseits keine Presseähnlichkeit des gemeindlichen Angebots, andererseits jedoch auch Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit—ist ein Ausgleich zu finden.

Besonders in den Mittelpunkt geriet zuletzt die Seite „dortmund.de“. Sie ist ein typisches Beispiel für diesen Konflikt: Es handelt sich um eine lebendige Seite, die auch Kultur und Wirtschaft der Stadt darstellt—und insbesondere auch über sportliche Ereignisse berichtete. Hiergegen wandte sich ein Vertreter der privaten Presse nach den vorgenannten Normen des Wettbewerbsrechts—und bekam in der ersten Instanz Recht. Das Landgericht Dortmund war der Ansicht, die Gestaltung der Seite und ihre Inhalte seien insgesamt presseähnlich und daher wettbewerbswidrig (LG Dortmund, Urt. V. 8.11.2019, Az. 3 O 262/17).

OLG zu dortmund.de: Gesamtbetrachtung entscheidend

Doch mit Urteil vom 10.6.2021, Az.: 4 U 1/20, hob das Oberlandesgericht Hamm dieses Urteil auf.

Das Gericht war durchaus der Auffassung, dass die vom Kläger angeführten Beispiele wie Berichte über Borussia Dortmund oder kulturelle Veranstaltungen klare Verstöße gegen die im Grundgesetz garantierte Trennung von Staat und Presse seien. Entscheidend sei aber die Gesamtbetrachtung des städtischen Internetauftritts, nicht der einzelne Verstoß. Und hier die entscheidende Wendung: In der Fülle des rechtlich zulässigen Angebots gingen einzelne Verstöße unter.

Das Oberlandesgericht ist sich jedoch bewusst, wie strittig seine Entscheidung ist. Daher hat es die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Klägerseite kündigte an, die Revision einzureichen.

Was gilt nun für die Praxis?

Für die Praxis gelten zunächst die in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze.

Wir haben zwei verschiedene Ebenen zu unterscheiden. Da ist zunächst der einzelne Beitrag, der nach seiner Art und seinem Inhalt darauf zu bewerten ist, ob er neutral gestaltet ist und zum typischen Aufgabenbereich der Gemeinde gehört. Ist das der Fall, spricht dies für die Zulässigkeit des einzelnen Beitrags.

Sind dagegen einzelne Beiträge schon außerhalb dieses Bereichs, spricht dies bereits gegen die Zulässigkeit der Darstellung auf der Homepage der Gemeinde. Nun kommt jedenfalls nach dem Oberlandesgericht Hamm noch eine zweite Ebene dazu, wenn es darum geht, die Gesamtzulässigkeit der Publikation zu bewerten. Es ist dann unter Einbeziehung des gesamten Erscheinungsbildes eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, ob das Angebot presseähnlich ist oder nicht. Entscheidend ist derzeit nach der Rechtsprechung, dass

  • sich die Gemeinde in ihren Publikationen keiner (boulevard-)pressemäßigen Illustration bedienet und
  • das Layout nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestaltet wird.

Sonst entsteht schon durch die Gestaltungsweise der Eindruck einer Pressepublikation.

Im Einzelfall bedeutet dies eine sehr schwierige Abgrenzung, die Gemeinden im Zweifel nicht ohne externen Rat selbst vornehmen sollten.

Nach dem erstinstanzlichen Urteil zu der Internetplattform dortmund.de stellte sich für viele Gemeinden die Frage, ob sie ihre Internetauftritte anpassen müssen. Insbesondere solche, deren Erscheinung sich sehr an dortmund.de orientierten, kamen ins Umdenken. Nunmehr kann einerseits die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet werden.

Das birgt jedoch das Risiko, bei einer für Gemeinden negativen BGH-Entscheidung schnell mit wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen von Presseverlagen rechnen zu müssen. Daher sollten Kommunen bereits jetzt prüfen, ob ihre Plattform nach der Rechtsprechung Bedenken unterliegen könnte. Wenn ja, sollte ein Plan ausgearbeitet werden, der für den Fall einer aus Sicht der Kommunen eindeutig negativen BGH-Entscheidung umgesetzt werden kann.

Plan B vorbereiten

Dabei wird es nicht—jedenfalls nicht alleine—helfen, den Betrieb der Internetplattform auf ein städtisches Unternehmen zu verlagern oder in eine Public-Private-Partnership zu überführen. Denn soweit die Kommune einen beherrschenden Einfluss behält, wird das Internetangebot voraussichtlich auch weiterhin vor allem der Gemeinde zugerechnet werden.

Eine Lösung muss für den Einzelfall zugeschneidet werden. Über die Verpachtung von Domains, den Abschluss von Agenturverträgen und inhaltlich gut ausgestalteter Public-Private-Partnerships werden lebendige Webseiten auch in Zukunft noch möglich sein, selbst wenn die BGH-Entscheidung negativ ausfällt. Doch solche Lösungen müssen gut vorbereitet werden. Der nötige Zeitaufwand ist einzukalkulieren, so dass die Schritte zur Ausarbeitung eines Plan B am besten bereits jetzt eingeleitet werden sollten.

Wenn dagegen bereits eine gerichtliche Auseinandersetzung stattfindet oder droht, kann die Rechtsprechung des OLG Hamm zu Dortmund.de bereits jetzt hilfreich sein, um die Ansprüche abzuwehren.

 

Ihr Ansprechpartner

Bei sämtlichen Fragen zu diesem Thema steht Ihnen Dennis Hillemann gerne zur Verfügung.