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Seit Jahren wird die Rechtmäßigkeit von Bestpreisklauseln, die Beherbergungsplattformen Hotels auferlegen, um sie daran zu hindern, auf anderen Plattformen niedrigere Preise anzubieten, intensiv diskutiert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun am 19.09.2024 entschieden, dass die von dem Online-Reisevermittler Booking.com genutzten Bestpreisklauseln keine notwendigen Nebenabreden darstellen. Als solche wären sie vom Kartellverbot ausgenommen. Nach Ansicht des EuGH gelten weder weite noch enge Bestpreisklauseln als Nebenabreden im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts. Um als Nebenabrede zu gelten, müssten die Klauseln entweder "objektiv notwendig" oder "verhältnismäßig" sein. Dies konnte Booking.com jedoch nicht nachweisen.
Grundsätzlich können derartige Klauseln nach der Vertikal-GVO freigestellt sein. Der EuGH stellt im konkreten Fall aber auch fest, dass die von Booking.com verwendeten Klauseln geeignet sind, den Wettbewerb zwischen verschiedenen Hotelbuchungsplattformen einzuschränken und somit ein Risiko für die Verdrängung neuer Marktteilnehmer darstellen.
Hintergrund und Entscheidung
Booking.com ist ein Online-Vermittlungsdienst für die Buchung von Unterkünftigen mit einem Sitz in Amsterdam. Hotelbetriebe zahlen an Booking.com eine Provision für jede Buchung, die Reisende auf der Plattform vornehmen. Durch Bestpreisklauseln ist den Hotelbetrieben untersagt, auf anderen Plattformen einen niedrigeren Preis als auf Booking.com anzubieten. Enge Klauseln verhindern, dass Verkäufer auf ihren eigenen Websites bessere Preise anbieten, während weite Klauseln bessere Preise auf anderen Vertriebskanälen verbieten.
Das Urteil des EuGH erging auf Vorlage des Bezirksgerichts Amsterdam, welches sich mit dem Rechtsstreit zwischen Booking.com und Hotelbetreibern in Deutschland befasst.
Der EuGH entschied, dass sowohl die engen als auch die weiten Klauseln nicht objektiv notwendig sind, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Hotelbuchungsplattformen zu gewährleisten und folglich den Wettbewerb einschränken.
Hintergrund: Nebenabreden
Notwendige Nebenabreden im Sinne des Kartellrechts sind Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit Transaktionen getroffen werden und die unter normalen Umständen wettbewerbsbeschränkend wären. Der BGH billigt Nebenabreden, wenn sie zur Erreichung des kartellrechtsneutralen Hauptzwecks des Vertrags unverzichtbar sind. Ausschlaggebend ist, inwieweit die Art des Vertrages eine Beschränkung des (potenziellen) Wettbewerbs zwischen den Parteien zwingend erfordert, sodass ohne diese kein Vertrag zustande käme. Die Wettbewerbsbeschränkung muss sachlich erforderlich und zeitlich, räumlich und gegenständlich darauf beschränkt sein, den mit dem Austauschvertrag verfolgten Zweck zu erreichen. Dazu einige Beispiele aus der Rechtsprechung des EuGH:
- Urteil vom 1. Juli 1985, Remia u. a., Kommission (42/84, EU: C: 1985:327, Rn. 19 und 20): Der Gerichtshof stellte fest, dass ein Wettbewerbsverbot für die Durchführung einer Unternehmensübertragung objektiv erforderlich ist, da ohne eine solche Klausel, wenn der Verkäufer und der Käufer nach der Übertragung weiterhin im Wettbewerb stehen, die Vereinbarung über die Übertragung des Unternehmens offenbar nicht durchgeführt werden kann. Es wurde nämlich davon ausgegangen, dass der Verkäufer, der die Besonderheiten des veräußerten Unternehmens besonders gut kennt, die Möglichkeit behält, seinen alten Kundenstamm unmittelbar nach der Veräußerung wieder zu sich zu ziehen und das Unternehmen somit nicht mehr rentabel zu machen.
- Dies war auch der Fall bei einigen Beschränkungen, die in der Rechtssache, die zum Urteil vom 28. Januar 1986, Pronuptia de Paris (161/84, EU: C: 1986:41) führte, erwähnt wurden. In diesem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass Klauseln in Vertriebsfranchiseverträgen, die für das Funktionieren des Franchisesystems unerlässlich sind, keine Wettbewerbsbeschränkungen darstellen. Dies galt für Klauseln, die verhinderten, dass das vom Franchisegeber vermittelte Know-how und die von ihm geleistete Unterstützung Konkurrenten zugute kamen. Ebenso organisierten Klauseln die Kontrolle, die für die Wahrung der Identität und des Rufs des Netzes der Franchisenehmer, das durch das Franchisegeberzeichen symbolisiert wird, unerlässlich ist (Rn. 16 und 17 des Urteils).
- Der Gerichtshof entschied auch im Urteil vom 19. April 1988, Erauw-Jacquery (27/87, EU: C: 1988:183, Rn. 11), dass eine Klausel in einer Vereinbarung über die Vermehrung und den Verkauf von Saatgut, bei der eine der Parteien Inhaber oder Bevollmächtigter des Inhabers bestimmter Sortenrechte ist, und die dem Lizenznehmer den Verkauf und die Ausfuhr von Basissaatgut untersagte, mit Art. 85 Abs. I EGV (jetzt Art. 101 Abs. 1 AEUV) vereinbar war, da sie erforderlich war, um dem Züchter die Auswahl der lizenzierten Händler und Vorbereiter zu ermöglichen.
- Der Gerichtshof hat in den Urteilen vom 15. Dezember 1994, DLG (C-250/92, EU: C: 1994:413, Rn. 45), und vom 12. Dezember 1995, Oude Luttikhuis u. a. (C-250/92, EU: C: 1994:413, Rn. 45), entschieden. (C-399/93, EU:C: 1995:434, Randnr. 20), dass bestimmte Beschränkungen, die den Mitgliedern einer Einkaufsgenossenschaft oder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft auferlegt werden, wie z. B. Beschränkungen, die ihnen die Mitgliedschaft in anderen Formen der organisierten Zusammenarbeit, die in direktem Wettbewerb mit ihnen stehen, verbieten, oder Beschränkungen, die eine Abfindungsregelung vorsehen, unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, nicht unter das nunmehr in Art. 101 Abs. I AEUV enthaltene Verbot fielen, da insbesondere die fraglichen Satzungsbestimmungen auf das beschränkt waren, was erforderlich war, um das ordnungsgemäße Funktionieren der betreffenden Genossenschaft zu gewährleisten und ihre Vertragsmacht gegenüber den Erzeugern zu stützen.