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Bereits im Juni 2024 hatte die Europäische Kommission (Kommission) beschlossen, gegen das amerikanische Unternehmen International Flavors & Fragrances (IFF) ein Bußgeld in Höhe von 15.9 Millionen Euro wegen der Löschung von Daten zu verhängen. Nun hat das unmittelbar im Anschluss an die behinderten Ermittlungen im März 2023 eigens hierfür eröffnete Verfahren mit der Veröffentlichung einer zusammengefassten Entscheidung der Kommission, sowie des Berichts des zuständigen Anhörungsbeauftragten, ein Ende gefunden. Beides kann wichtige Aufschlüsse für die Vermeidung von Fehlverhalten von Unternehmen bzw. von deren Mitarbeitern im Falle eines sogenannten "Dawn Raids" geben und anderseits aber auch für den bestmöglichen Umgang mit bereits geschehenen Fehltritten zur Schadensbegrenzung.
Hintergrund der unangekündigten Untersuchungen bei IFF
IFF ist ein amerikanisches Unternehmen, das Produkte in diversen Kategorien wie Ernährung, Textur und Duft herstellt und weltweit vertreibt. Es hat seinen Hauptsitz in New York City und bedient Märkte in 44 verschiedenen Ländern. Das Unternehmen ist Mitglied des S&P 500 Index.
Die unangekündigten Untersuchungen bei IFF waren Teil der Ermittlungen der Kommission gegen ein mutmaßliches Duftstoffkartell, die im März 2023 eingeleitet wurden und sich auch gegen die Schweizer Unternehmen Givaudan und Firmenich International sowie das deutsche Unternehmen Symrise richten und nach wie vor andauern.
Leitender Mitarbeiter von IFF löschte während der Durchsuchung Nachrichten an Wettbewerber von Geschäftshandy
Bei besagten unangekündigten Untersuchungen zwischen dem 7. und 10. März 2023 in den Geschäftsräumen der IFF in Frankreich stellten die Kommissionsbeamten bei einem auf ihr Verlangen vorgelegten geschäftlichen Mobiltelefon fest, dass ein leitender Mitarbeiter der IFF und zugleich Zielperson der Untersuchungen, seine darauf befindlichen WhatsApp Nachrichten an einen Wettbewerber gelöscht hatte.
Dieser leitende Mitarbeiter hatte zuvor erfahren, dass er Ziel der Untersuchungen sein würde und die Nachrichten also in diesem Zusammenhang absichtlich und während der laufenden Durchsuchungen gelöscht.
Enge Kooperation zwischen Kommission und IFF im Nachhinein
Mit den Vorwürfen konfrontiert, erkannte IFF den Sachverhalt dann unverzüglich an und kooperierte während und nach der Durchsuchung proaktiv mit der Kommission. Dem Nachprüfungsteam der Kommission gehören Experten für forensische IT an, die bei Nachprüfungen Löschungen oder Manipulationen elektronischer Informationen aufdecken können. Die Kommission erklärte, sie habe die gelöschten Daten – unter Kooperation des Unternehmens – wiederherstellen können.
Die weitere Zusammenarbeit stellte sich innerhalb des am 12. März 2023 eigens eingeleiteten Bußgeldverfahrens aufgrund der Löschung von Daten dann noch der Gestalt dar, dass im Wege eines durch die Kommission angetragenen und durch IFF beantragten Kooperationsverfahrens auch eine Anerkennung der Haftung und des ungefähren Umfangs mit einer Höchstgrenze, der von der Kommission voraussichtlich zu verhängenden Geldbuße, durch IFF erfolgt ist.
Die Kommission sieht einen schwerwiegenden Verstoß von IFF gegen die Pflichten von Unternehmen bei Durchsuchungen
Die Kommission sieht im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung in den gelöschten WhatsApp Nachrichten einen Verstoß des Unternehmens gegen die Pflicht, bei (unangekündigten) Durchsuchungen Nachprüfungen zu dulden und insbesondere angeforderte Geschäftsunterlagen vollständig vorzulegen (Art. 20 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 lit. c der VO 1/2003). Auf die Form, in der diese Geschäftsunterlagen vorliegen, kommt es dabei nicht an, so dass ohne weiteres auch WhatsApp Nachrichten im entsprechenden geschäftlichen Kontext erfasst sein können.
Wie das Bußgeld trotzdem noch um die Hälfte reduziert werden konnte
Die Kommission ist befugt, Geldbußen von bis zu 1 % des Gesamtumsatzes von Unternehmen festzusetzen, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig kartellrechtliche Nachprüfungen behindern (Art. 23 Abs. 1 VO 1/2003).
Vorliegend ist die Kommission der Auffassung, dass das Verhalten von IFF eine sehr schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt. Der leitende Mitarbeiter hatte die WhatsApp-Nachrichten nach den Feststellungen vorsätzlich gelöscht, nachdem er über die Nachprüfung der Kommission informiert worden war. Außerdem wurde die Löschung der Daten der Kommission nicht mitgeteilt, sondern von den Nachprüfern entdeckt, nachdem sie das Mobiltelefon zur Überprüfung erhalten hatten. Daher ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass eine Geldbuße in Höhe von 0,3 % des Gesamtumsatzes von IFF sowohl angemessen als auch abschreckend wäre.
Gleichzeitig hat die Kommission beschlossen, die proaktive Zusammenarbeit von IFF während und nach den Durchsuchungen im Rahmen des Kooperationsverfahrens positiv zu berücksichtigen. Insbesondere die unmittelbare Anerkennung aller relevanten Tatsachen auf die sich die Zuwiderhandlung bezieht durch IFF, den Beitrag von IFF zur Widerherstellung der Nachrichten, sowie sich auf ein Kooperationsverfahren einzulassen mit der Anerkennung der Haftung sowie des ungefähren Umfangs des Bußgeldes.
Die Kommission hat deshalb beschlossen, die Geldbuße um 50 % herabzusetzen und eine Geldbuße in Höhe von 15.9 Millionen Euro zu verhängen, was respektive 0,15 % des Gesamtumsatzes von IFF entspricht.
Einordnung der Entscheidung und Praxishinweise
Der Fall hat im Ausgangspunkt noch einmal unterstrichen, wie bedeutsam die angemessene Vorbereitung von Unternehmen und deren Mitarbeitern auf unangekündigte Durchsuchungen durch Kartellbehörden ist und dass dabei auch alle Formen digitaler Kommunikation als unter Umständen mit Pflichten verbundene Geschäftsunterlagen angemessen zu berücksichtigen sind.
Quellen
Zusammengefasste Kommissionsentscheidung in der Sache "AT.40882 – IFF – deletion of data"
Bericht des Anhörungsbeauftragten in der Sache "AT.40882 - IFF - deletion of data"