Kommission und CMA verhängen ca. EUR 550 Mio. Bußgelder im Autorecycling-Kartell
Skip to main content
Insight

Kommission und CMA verhängen ca. EUR 550 Mio. Bußgelder im Autorecycling-Kartell

Lea Josten
06/05/2025
A blurred, high-speed view from inside a car, focusing on the driver's hand on the steering wheel, dashboard, and side mirror. The outside scenery and road ahead are motion-blurred, giving a sense of rapid movement and speed.

Locations

Germany

Im April 2025 hat die Europäische Kommission (Kommission) Bußgelder in Höhe von ca. EUR 458 Mio. gegen 15 Autohersteller sowie gegen die Vereinigung europäischer Automobilhersteller (ACEA) verhängt. Das Verfahren wurde mit der UK Wettbewerbsbehörde Competition and Markets Authority (CMA) koordiniert, die ihrerseits Bußgelder gegen zehn Hersteller und zwei Handelsverbände in Höhe von umgerechnet über EUR 91 Mio. verhängte. Ein Automobilhersteller konnte einem Bußgeld aufgrund der Kronzeugenregelung gänzlich entgehen.
 

Das Recycling-Kartell

Die Kommission stellte in ihrer Untersuchung fest, dass sich 16 Automobilhersteller über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren an einem Kartell zum Recycling von Altfahrzeugen beteiligt hätten. Altfahrzeuge werden mit dem Ziel der Abfallvermeidung sowie der Rückgewinnung wertvoller Materialien wie Metall, Kunststoff und Glas demontiert und für das Recycling, die Verwertung und die Entsorgung aufbereitet. Die Kommission stellte fest, dass die Vereinigung ACEA dieses Kartell unterstützt und zahlreiche Treffen und Kontakte zwischen den am Kartell beteiligten Automobilbauern organisiert habe. Das Kartell stellte hiernach eine einzige, fortgesetzte Zuwiderhandlung zwischen Mai 2002 und September 2017 dar. Konkret habe diese Zuwiderhandlung zwei zentrale Bereiche betroffen:

  • Die Kartellanten hätten sich darauf geeinigt, den Demontagebetrieben für die Verwertung von Altfahrzeugen keine Vergütung zu zahlen und die gemeinsame Auffassung vertreten, dass das Recyclinggeschäft für die Betriebe wirtschaftlich ausreichend sei. Dies sei auch als Begründung genutzt worden, um auf Zahlungen zu verzichten („Strategie zur Nichtvergütung der Verwertung“). Zusätzlich tauschten sie untereinander sensible Informationen über ihre jeweiligen Vereinbarungen mit den Demontagebetrieben aus und stimmten ihr Verhalten gegenüber diesen Betrieben ab.
  • Die Kartellanten hätten sich darauf geeinigt, nicht aktiv zu kommunizieren, in welchem Umfang Teile von Altfahrzeugen wiederverwendet oder wie viel recyceltes Material in Neuwagen verwendet werde. Ziel dieser Maßnahme sei es gewesen, Verbraucher daran zu hindern, Recyclingaspekte bei der Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Hierdurch sei ein potenzieller Druck auf die Hersteller, über gesetzliche Vorgaben hinauszugehen, abgeschwächt worden.

Mittels dieser Verhaltensweisen hätten die Beteiligten gegen die Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge verstoßen. Diese verpflichtet Automobilhersteller dazu sicherzustellen, dass Fahrzeughalter ihr Altfahrzeug kostenfrei in einem Demontagebetrieb abgeben können, auch auf Kosten des Herstellers. Zudem sind die Hersteller verpflichtet, Verbraucher über die Recyclingfähigkeit ihrer Fahrzeuge zu informieren.
 

Die Bußgelder

Die Untersuchung der Kommission wurde durch einen Antrag eines Unternehmens angestoßen, der im September 2019 im Rahmen der sog. Kronzeugenregelung gestellt wurde. In der Folge beantragten auch weitere Unternehmen nach erfolgten Durchsuchungen (sog. Dawn-Raids) im März 2022 die Anwendung dieser Kronzeugenregelung.

Bei den nun von der Kommission verhängten Geldbußen seien verschiedene Faktoren in die Bemessung eingeflossen, etwa die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge, die Art, geografische Reichweite und Dauer der Zuwiderhandlung. Zusätzlich sei die jeweils geringere Beteiligung einzelner Unternehmen berücksichtigt worden. Ein Unternehmen habe auch deshalb eine Ermäßigung erhalten, da dieses nachweislich gefordert hätte, sich nicht an der Vereinbarung zur Unterlassung von Werbung für recyceltes Material in Neuwagen beteiligen zu müssen. Weitere Unternehmen hätten eine Ermäßigung ihrer Geldbuße erhalten, die sich spezifisch am Zeitpunkt ihrer Kooperation und an der Qualität der bereitgestellten Beweise orientiert hätten. Nach Ansicht der Kommission hätten diese jeweils maßgeblich zur Aufklärung beigeträgen, sodass ihnen die in der Kronzeugenregelung vorgesehene maximale Ermäßigung gewährt worden sei.

Zusätzlich nahm die Kommission für alle beteiligten Unternehmen eine Ermäßigung der Geldbußen um 10 % vor, da sie ihre Beteiligung am Kartell im Rahmen eines Vergleichsverfahrens anerkannt hätten. Die Geldbuße gegen den Verband ACEA sei als Pauschalbetrag unter der Berücksichtigung festgesetzt worden, dass sämtliche ACEA-Mitgliedsunternehmen bereits individuell mit Geldbußen belegt worden waren.
 

Praxishinweis

Der vorliegende Fall zeigt erneut, dass Kartellfälle nicht nur typische Verkaufspreiskartelle betreffen, sondern auch andere Vereinbarungen zu hohen Bußgeldern führen können. So betrafen in der jüngeren Vergangenheit die sog. Ad Blue-Absprachen Vereinbarungen zwischen Automobilherstellern zur Größe und Nutzung von AdBlue-Tanks, die zur Abgasreinigung in Dieselautos verwendet werden.

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass hier erneut ein Verband von kartellrechtlichen Bußgeldern betroffen ist. Unternehmen sollten daher sorgfältig prüfen, ob die Verbände, in denen sie sich engagieren, sich um kartellrechtliche Compliance kümmern. Dies erfordert eine regelmäßige Überprüfung und Sensibilisierung für kartellrechtliche Risiken. Denn Mitliedern drohen sonst nicht nur eigene Bußgelder. Sie müssen unter Umständen auch für Bußgelder des Verbandes aufkommen. Nach dem GWB haften die Mitgliedsunternehmen im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Verbandes.
 

Weiterführende Links

Pressemitteilung der Kommission vom 01.04.2025

Pressemitteilung der CMA vom 01.04.2025

Spezialgebiete

Kartellrecht