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Die Automobilindustrie steht vor einem strukturellen Umbruch, der nicht nur technologische Innovationen wie Elektromobilität, autonomes Fahren und digitale Plattformmodelle umfasst, sondern auch tiefgreifende Veränderungen in den globalen Lieferketten mit sich bringt. Die rechtliche Gestaltung dieser Lieferverhältnisse wird dadurch komplexer – und strategisch relevanter denn je.
1. Neue Anforderungen an Lieferverträge: Flexibilität trifft auf Compliance
Traditionell waren Lieferverträge in der Automobilbranche durch langfristige Laufzeiten, detaillierte Spezifikationen und enge Abnahmeverpflichtungen geprägt. Doch volatile Märkte, geopolitische Risiken und regulatorische Anforderungen zwingen OEMs und Zulieferer zu einem Umdenken.
Bei modernen Lieferverträgen sollten heute unter anderem folgende Aspekte bedacht werden
- Force-Majeure-Klauseln , die auch auf Pandemien, Cyberangriffe und politische Sanktionen Bezug nehmen.
- Preisgleitklauseln, um ggf. auf volatile Rohstoffpreise reagieren zu können.
- Operationalisierung von ESG-Kriterien, insbesondere durch Verpflichtungen zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Standards entlang der Lieferkette.
Diese Anforderungen sind nicht nur rechtlich geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll: Wer bspw. ESG-Risiken frühzeitig durch entsprechende vertragliche Vorkerungenentgegenwirkt, minimiert Reputationsschäden und haftungsrechtliche Risiken.
2. Digitalisierung der Lieferbeziehung: Vertragsrechtliche Implikationen
Mit der zunehmenden Digitalisierung der Fahrzeugarchitektur – Stichwort: Software-defined Vehicle – verändert sich auch die Natur der Lieferbeziehung. Immer häufiger werden nicht nur physische Komponenten, sondern auch Softwaremodule, OTA-Updates und Datenlieferungen Bestandteil der Lieferverträge.
Rechtlich relevant sind dabei u.a.:
- Update-Verpflichtungen und deren Abgrenzung zur Gewährleistung
- Haftung für Softwarefehler, insbesondere bei sicherheitsrelevanten Funktionen
- Lizenz- und Nutzungsrechte an Software und Daten
- Datenschutzrechtliche Anforderungen, etwa bei der Verarbeitung von Telematikdaten
Diese Aspekte erfordern eine enge Verzahnung von Vertragsrecht, IT-Recht und Produkthaftungsrecht – und eine klare Rollenverteilung zwischen OEM, Tier-1-Zulieferer und Softwaredienstleister. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Vorgaben auf EU-Ebene, wie bspw. dem Data Act.
3. Vertragsgestaltung als strategisches Steuerungsinstrument
Verträge sind nicht nur juristische Dokumente, sondern auch Ausdruck strategischer Steuerung. In der Praxis zeigt sich, dass Unternehmen, die ihre Vertragslandschaft aktiv managen – etwa durch den Einsatz von Contract Lifecycle Management (CLM)-Systemen – deutlich resilienter auf externe Einflüsse reagieren können.
Best Practices umfassen:
- Standardisierte, aber modulare Vertragsvorlagen
- Frühzeitige Einbindung von Legal und Compliance in die Lieferantenentwicklung
- Nutzung digitaler Tools zur Fristenkontrolle, Risikoanalyse und Reporting
Gerade in der Automobilindustrie, wo Time-to-Market und Qualitätssicherung entscheidend sind, wird die Vertragsgestaltung damit zum Wettbewerbsfaktor.
Fazit: Rechtssicherheit und Resilienz durch vorausschauende Vertragsgestaltung
Die Transformation der Automobilindustrie verlangt nicht nur technologische Innovation, sondern auch juristische Exzellenz. Lieferverträge müssen heute mehr leisten als früher: Sie müssen flexibel, compliance-konform und digital anschlussfähig sein. Wer diese Anforderungen frühzeitig adressiert, schafft nicht nur Rechtssicherheit – sondern auch strategische Resilienz.
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