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- Behörden müssen keinen Zugang zu Informationen ohne Aktenrelevanz gewähren.
- Informationen müssen nur dann zugänglich gemacht werden, wenn sie selbst und aber gerade auch ihre Aufzeichnung amtlichen Zwecken dient.
- Dies ist nicht der Fall bei Direktnachrichten auf sozialen Medien, die der informellen Kommunikation dienen und keinen Anlass zur Veraktung geben.
- Letztlich besteht auch dann keine Pflicht zur Zugänglichmachung, wenn die Informationen nicht mehr vorhanden sind.
Im August 2020 entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass ein Journalist Einsicht in die Twitter-Direktnachrichten des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) erhalten kann.
Nun hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aufgehoben und festgelegt, dass ein solcher Einsichtsanspruch gerade nicht besteht.
Diese Entscheidung zeigt die weiterhin anhaltende hohe Relevanz der Transparenz staatlichen Handelns. Diese Transparenz wird in Zeiten ständigen Informationsflusses immer wichtiger – insbesondere bei Themen wie dem Pandemiegeschehen, welche uns alle betreffen. Sie muss aber dennoch gerechtfertigten Einschränkungen unterliegen.
Was ist der Hintergrund?
Informationsfreiheitsgesetze ermöglichen Bürgern in großem Umfang den Zugang zu staatlich vorhandenen Informationen. Daneben bestehen die sich permanent fortentwickelnden sozialen Medien, die einen direkteren und unkomplizierteren Austausch auch zwischen Bürgern und Staat ermöglichen. In diesem Zusammenspiel tauchen neue Fragen danach auf, was der Staat offenlegen muss und welche Kommunikationsformen vom klassischen Handeln der Behörde entkoppelt betrachtet werden müssen. Bei Letzteren besteht keine Pflicht auf Zugänglichmachung.Das Verwaltungsgericht Berlin musste sich deshalb mit dem Auskunftsbegehren eines Journalisten gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) befassen. Das IFG regelt den Zugang von Bürgern zu Informationen von Bundesbehörden. Danach kann jedermann einen Antrag auf Zugang zu konkret gewünschter Informationen bei Bundesbehörden stellen. Der antragstellende Journalist wollte vom BMI Einsicht in die Direktnachrichten (sogenannte DMs), die über den Twitter-Account @BMI_Bund im Zeitraum von Mai 2016 bis zum 20. Mai 2018, 8:20 Uhr, versandt worden und eingegangen sind. Diese Nachrichten ermöglichen es den Twitter-Nutzern, abseits der öffentlichen Tweets zu kommunizieren, ohne dass andere Nutzer die Nachrichten lesen können. Die Nachrichten umfassten u. a. Terminabsprachen, Danknachrichten für Bürgeranfragen etwa betreffend Tipp- und Verlinkungsfehler oder Fragen von Journalisten nach zuständigen Personen.
Transparenz der öffentlichen Hand ohne Grenzen?
Das Verwaltungsgericht Berlin entschied mit Urteil vom 26. August 2020 (Az. 2 K 163.18) erstinstanzlich, dass der Zugang zu gewähren ist. Es begründete dies damit, dass es sich um amtliche Informationen handele, zu denen laut IFG der Zugang zu gewähren sei. Eine Veraktung und Aktenrelevanz hielt das Verwaltungsgericht Berlin für entbehrlich. Es berief sich hierbei auf eine Entscheidung zum Terminkalender der Bundeskanzlerin (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2012 - OVG 12 B 27.11). Hätte der Gesetzgeber solche Informationen vom Zugangsanspruch ausnehmen wollen, so hätte er dies bereits in der Legaldefinition der amtlichen Informationen im IFG geregelt, so das Verwaltungsgericht.Auch die ausschließliche Speicherung auf den Twitter-Servern und nicht beim BMI selbst ändere nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nichts an dieser Pflicht. Das BMI sei nach wie vor in der Lage, sämtliche Direktnachrichten über den eigenen Account abzurufen. Zudem seien diese Nachrichten im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit ausgetauscht worden.
Vom Informationszugang ausgeschlossen seien daher nur solche Informationen, die ausschließlich privaten (persönlichen) Zwecken dienen.
Rechtliche Argumente gegen eine unbedingte Transparenz
Das Bundesverwaltungsgericht hat dieser ausufernden Entscheidung nun mit Urteil vom 28. Oktober 2021 (Az. 10 C 3.20) einen Riegel vorgeschoben und dem ausufernden Informationszugang um jeden Preis eine Absage erteilt. Hierbei hat es nichts Anderes getan, als streng am Gesetz zu arbeiten und dieses auf einen neuen Sachverhalt anzuwenden. Im Fokus stand dabei die Zugangsvoraussetzung, dass es sich um "amtliche Informationen" handeln muss.Der Gesetzgeber verlange mit dieser Definition eine bestimmte Finalität der Aufzeichnung. Dabei müsse nicht nur die Information selbst amtlichen Zwecken dienen, sondern auch ihre Aufzeichnung. Zwar sei dies bei Twitter-Direktnachrichten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Bei Nachrichten, die jedoch wie hier nur eine geringfügige inhaltliche Relevanz haben und somit keinen Anlass geben, einen Verwaltungsvorgang anzulegen, sei dies jedoch nicht der Fall.
Zuletzt habe das BMI der Speicherung durch die Twitter Inc. keinen amtlichen Zweck beigegeben. Ein solcher ergebe sich auch nicht aus der Registraturrichtlinie der Bundesministerien und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Aktenführung.
Für die Praxis bedeutet das, dass nicht jede behördliche Kommunikation über soziale Medien dem Zugangsanspruch aus dem IFG unterliegt. Soziale Medien können daher ein probates Mittel sein, um unmittelbar mit Bürgern zu kommunizieren, ohne stets sofort Verwaltungsaufwand durch Veraktung auszulösen. Dies ermöglicht schnelleren und unbürokratischen Kontakt und fördert die Demokratie auf einer neuen Ebene.
Was erwartet uns in nächster Zukunft?
Soziale Medien und die Kommunikation hierüber werden uns auch in Zukunft beschäftigen. Nachdem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts recht eindeutig im Hinblick auf die Frage der zugänglich zu machenden Informationen ist, wird sich jedoch die extrem relevante Frage für die öffentliche Hand anschließen, wann eine Aktenrelevanz besteht und ein Verwaltungsvorgang überhaupt angelegt werden muss. Diese Frage wird mit Sicherheit auch die Gerichte beschäftigen.Sollten Sie hierzu eine erste Einschätzung wünschen oder zu der besprochenen Entscheidung Fragen haben, sprechen Sie gerne Christine Fischer an.