Zur Umsetzung der sog. Warenkaufrichtlinie (RL (EU) 2019/771) hat der Bundestag am 24. Juni 2021 das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderen Aspekten des Kaufvertrags[1] verabschiedet. Die Warenkauflinie ersetzt die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG). Die Änderungen gelten für Kaufverträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden. Betroffen sind neben zentralen Aspekten wie dem kaufrechtlichen Sachmangelbegriff insbesondere Verbrauchsgüterkaufverträge i. S. v. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB.
Änderung des Sachmangelbegriffs
Der Begriff des Sachmangels wird durch die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie geändert. Eine Kaufsache ist künftig nur frei von Mängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht. Damit müssen ab 2022 alle Anforderungen erfüllt sein, während bisher ein Vorrang individueller Vereinbarungen, also subjektiver Anforderungen, galt. Aus dieser Neuerung ergibt sich für Verkäufer die Notwendigkeit, laufend zu prüfen, ob die Produkte noch der üblichen Beschaffenheit entsprechen. Gewährleistungsansprüche können durch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung verhindert werden. In Verbrauchsgüterkaufverträgen bedarf es dafür einer ausdrücklichen Vereinbarung, § 476 Abs. 1 S. 2 BGB. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird den hohen Anforderungen an eine ausdrückliche Vereinbarung nicht gerecht.[2]
Verbrauchervertrag über digitale Produkte
Der Verbrauchervertrag über digitale Produkte wird als neuer Vertragstyp eingeführt. § 327 ff. BGB enthalten künftig ein eigenes (Verbrauchsgüter-)Kaufrecht für digitale Produkte mit eigenem Gewährleistungsrecht. „Digitale Produkte“ umfassen gemäß § 327 Abs. 1 BGB sowohl digitale Inhalte als auch digitale Dienstleistungen. § 475a BGB ergänzt die Regelungen im Falle eines Verbrauchervertrags über digitale Produkte und verweist auf Teile der Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf.
Kauf einer Ware mit digitalen Elementen
Es ist zwischen dem Kauf von Waren mit digitalen Elementen und dem Kauf digitaler Produkte zu unterscheiden. Die Vorschriften der §§ 475b-475e BGB enthalten ergänzende Regelungen für den Verbrauchsgüterkauf einer Ware mit digitalen Elementen. Umfasst sind Waren im Sinne körperlicher Gegenstände, die digitale Produkte enthalten oder mit diesen verbunden sind und ihre Funktion ohne die digitalen Produkte nicht erfüllen können. Es ist unerheblich, ob die Bereitstellung digitaler Elemente im Vertrag ausdrücklich vereinbart wurde oder sich erst aus dem Zweck der Sache ergibt.
Handelt es sich demnach um eine Ware mit digitalen Elementen, gelten ergänzende Vorschriften zum Sachmangelbegriff. Unter anderem muss der Unternehmer die vereinbarten Aktualisierungen für die digitalen Elemente bereitstellen, sofern sie zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit erforderlich sind. Unterlässt der Verbraucher die fristgerechte Vornahme einer bereitgestellten Aktualisierung, haftet der Unternehmer nicht für Sachmängel infolge der fehlenden Aktualisierung, § 475b Abs. 5 BGB. Dauer und Umfang der bereitzustellenden Aktualisierungen richten sich subjektiv nach der vertraglichen Vereinbarung. Um auch den objektiven Anforderungen zu genügen, müssen Aktualisierungen jedenfalls während des im Einzelfall aufgrund aller Umstände zu erwartenden Zeitraums bereitgestellt werden. Maßgeblich sind etwa Werbeaussagen des Unternehmers sowie die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer von Waren der gleichen Art. Die Dauer kann im Einzelfall über die Gewährleistungsfrist von zwei Jahren hinausgehen, was insbesondere für Sicherheitsaktualisierungen denkbar ist. Die Regelung soll sicherstellen, dass die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Produktes auch nach der Übergabe gewährleistet wird, um die Nutzbarkeit der digitalen Produkte zu verlängern. Ein vertraglicher Ausschluss dieser Aktualisierungen ist auch im Verbrauchsgüterkauf möglich, bedarf aber einer ausdrücklichen Vereinbarung.
Zudem ist der Verbraucher über neu erscheinende Aktualisierungen zu informieren.[3] Die Information muss sich auch auf die Folgen einer unterlassenen Aktualisierung beziehen. Für den Informationsweg gibt es keine genauen Vorgaben. Die Aktualisierung und damit wohl auch die Information ist dem Verbraucher bereitzustellen, sodass er die Aktualisierung selbst vornehmen kann.
Erleichterte Rücktrittsmöglichkeiten für Verbraucher
Bei Mängeln der Kaufsache können Verbraucher unter erleichternden Umständen zurücktreten. So ist der Rücktritt von Kaufverträgen über eine Sache mit digitalen Elementen in bestimmten Fällen auch ohne Fristsetzung möglich, § 475d Abs. 1 BGB. Unter anderem bedarf es keiner ausdrücklichen Fristsetzung, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Unterrichtung über den Mangel nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums vornimmt.
Auch muss der Unternehmer den gezahlten Kaufpreis bereits erstatten, sobald der Verbraucher die Rücksendung nachweist, § 475 Abs. 6 BGB. Nach bisheriger Rechtslage musste der Verbraucher die Rückgewähr der Ware, also das Eintreffen bei dem Unternehmer, nachweisen.
Verjährung
Die Verkürzung der Verjährungsfrist für die Mängelhaftung auf ein Jahr bei dem Verkauf von Gebrauchtwaren ist nicht mehr durch AGB möglich. Vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung, an die hohe Anforderungen zu stellen sind.
Zugunsten von Verbrauchern wird künftig die Verjährung der Gewährleistungsrechte gehemmt, wenn sich ein Mangel erst kurz vor Ende der Verjährungsfrist zeigt oder der Verbraucher die Sache zur Nacherfüllung dem Händler übergeben hat. So tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen Mängeln der Kaufsache nicht vor Ablauf von vier Monaten ein nachdem sich der Mangel erstmals gezeigt hat, § 475e Abs. 3 BGB, bzw. nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach Übergabe an den Händler zur Nacherfüllung, § 475e Abs. 4 BGB.
Eine weitere Neuerung ergibt sich aus der Einführung des Kaufvertrags einer Ware mit digitalen Elementen: Bei solchen Verträgen ist die Verjährung bei Mängeln der digitalen Elemente getrennt von der Verjährung bei Mängeln der Sache selbst zu beurteilen.
Garantien
Auch die Vorgaben des § 479 BGB für Garantieerklärungen gegenüber Verbrauchern wurden angepasst. So muss der Garantiegeber darüber informieren, dass die Inanspruchnahme der gesetzlichen Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt wird und dass diese Inanspruchnahme unentgeltlich ist, § 479 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch ohne Verlangen des Verbrauchers ist diesem die Garantieerklärung spätestens mit der Lieferung auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Die Bereitstellung per E-Mail genügt, während das bloße Einstellen auf der Website nicht ausreicht. Neu eingeführt wurde der gesetzliche Mindestinhalt einer vom Hersteller übernommenen Haltbarkeitsgarantie i. S. v. § 443 Abs. 2 BGB: Gemäß § 479 Abs. 3 BGB hat der Verbraucher im Garantiefall jedenfalls einen Anspruch auf Nacherfüllung.
Weitere Neuregelungen im (Verbrauchsgüter-)Kaufrecht
Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen kann der Verbraucher künftig Sachmängelrechte auch dann geltend machen, wenn er den Mangel bei Vertragsschluss kennt, § 475 Abs. 3 S. 2 BGB. Die Gewährleistung ist nur ausgeschlossen, wenn der Verbraucher vor Vertragsschluss eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von der Soll-Beschaffenheit abweicht, und die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Bedeutung erlangt die Änderung insbesondere bei dem Verkauf von Mängelexemplaren.
Die gesetzliche Beweislastumkehr hinsichtlich des Vorliegens eines Mangels bei Gefahrübergang wird verlängert. Es wird ein Mangel zugunsten des Verbrauchers vermutet, wenn sich dieser innerhalb eines Jahres ab Lieferung zeigt, § 477 Abs. 1 BGB. Bei Waren mit digitalen Elementen gilt diese Vermutung für die digitalen Elemente sogar für die Dauer von zwei Jahren, § 477 Abs. 2 BGB. Lediglich beim Kauf von lebenden Tieren bleibt es bei dem bisherigen Zeitraum von sechs Monaten.
Weitere Pflichten des Verkäufers im Zuge der Nacherfüllung werden im Gesetz für alle Kaufverträge ausdrücklich geregelt. So muss der Verkäufer die ersetzte Kaufsache auf seine Kosten zurücknehmen, § 439 Abs. 6 BGB. Es ist nunmehr geregelt, dass der Verkäufer Händler vor der Nacherfüllung die Zurverfügungstellung der scheinbar mangelhaften Sache für eine Mängelprüfung verlangen kann, § 439 Abs. 5 BGB. Gegenüber Verbrauchern hat der Händler die Nacherfüllung zusätzlich innerhalb einer angemessenen Frist ab Unterrichtung über den Mangel und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen.
Künftig kann der Unternehmer die Nacherfüllung auch verweigern, wenn die einzig mögliche oder verbliebene Art der Nacherfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist. Der bisherige § 475 Abs. 4, 5 BGB, der die Verweigerung der Nacherfüllung in solchen Fällen bisher ausschließt, wird ersatzlos gestrichen.
Anpassung des Lieferantenregresses
Als Konsequenz der Änderungen der Nacherfüllungspflichten des Verkäufers wird der Rückgriff des Verkäufers in der Lieferkette gemäß § 445a BGB geringfügig angepasst. Eine inhaltliche Erweiterung ergibt sich daraus, dass der Regressanspruch künftig Rücknahmekosten infolge der Neulieferung gemäß § 438 Abs. 6 S. 2 BGB erfasst. Zudem muss der Lieferant Aufwendungen ersetzen, die der Verkäufer im Zusammenhang mit einer Verletzung der neu eingeführten Aktualisierungspflicht gemäß § 475b Abs. 4 BGB zu tragen hat. Eine analoge Anwendung des § 445a BGB wird für die Haftung für die fehlende Bereitstellung digitaler Dauerelemente diskutiert.[4]
Die Regressansprüche des Verkäufers gegen den Lieferanten verjähren künftig frühestens zwei Monate nachdem der Verkäufer die Gewährleistungsansprüche seines Käufers erfüllt.
Anpassungsbedarf
Bei der Implementierung der Änderungen ist zwischen Alt- und Neuverträgen zu unterscheiden. Neue Kaufverträge müssen an den neuen Sachmangelbegriff angepasst werden. Im Bereich der digitalen Produkte bzw. Waren mit digitalen Elementen sind Aktualisierungs- sowie Informationspflichten zu berücksichtigen. Nachteilige Abweichungen von den Regelungen gegenüber Verbrauchern sind weitgehend unzulässig und werden einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Im Rahmen des Lieferantenregresses sind zudem Anpassungen der Verträge in der Lieferkette vorzunehmen.
Weitere relevante aktuelle Änderungen ergeben sich aus der „Omnibus“-Richtlinie, die durch zwei nationale Gesetze (Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht und Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs) umgesetzt wurde, sowie aus dem Gesetz für faire Verbraucherverträge. Hierzu finden Sie jeweils einen Überblick auf unserer Website unter https://www.fieldfisher.com/de-de/insights/aenderungen-im-eu-verbraucherrecht-omnibus-richtlinie sowie unter https://www.fieldfisher.com/de-de/insights/gesetz-fur-faire-verbrauchervertrage. Die Umsetzung der „Omnibus“-Richtlinie betrifft insbesondere das Widerrufsrecht bei Verträgen über Dienstleistungen und digitale Inhalte sowie Muster-Widerrufsbelehrungen und Widerrufsformulare. Auch das UWG ist von den Änderungen betroffen – insbesondere wurden Bußgeldtatbestände für Zuwiderhandlungen eingeführt. Das Gesetz für faire Verbraucherverträge stärkt die Position der Verbraucher, indem Abtretungsverbote sowie automatische Vertragsverlängerungsklauseln in AGB für unzulässig erklärt werden und die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen erleichtert wird.
Kontakt
Falls Sie Fragen zu den Auswirkungen der zahlreichen Änderungen bzw. zu einem etwaigen Anpassungsbedarf hinsichtlich der in Ihrem Unternehmen verwendeten Vertragsmuster und Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben, wenden Sie sich bitte an Sara Bandehzadeh (sara.bandehzadeh@fieldfisher.com).