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Die Europäische Kommission hat eine förmliche Untersuchung gegen die Deutsche Börse und die Nasdaq eingeleitet. Im Zentrum steht der Verdacht, dass beide Unternehmen im Bereich der Notierung, des Handels und des Clearings von Finanzderivaten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wettbewerbswidrige Absprachen getroffen haben, um den Wettbewerb einzuschränken
Kernpunkte der Untersuchung
Die Europäische Kommission prüft den Verdacht auf wettbewerbswidrige Absprachen zwischen der Deutschen Börse und der Nasdaq. Im Fokus steht die Frage, ob die Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen abgestimmt haben, um den Wettbewerb im Bereich der Finanzmarktinfrastruktur einzuschränken. Konkret geht es um die Aufteilung der Nachfrage, die Abstimmung von Preisen sowie den Austausch sensibler Geschäftsinformationen.
Rechtlich stützt sich die Untersuchung auf Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des EWR-Abkommens, die Vereinbarungen und Praktiken verbieten, die den Wettbewerb beschränken. Die Vorschriften sollen sicherstellen, dass Märkte offen und fair bleiben und Innovation sowie Finanzstabilität gefördert werden.
Betroffen sind insbesondere die Märkte für den Handel und das Clearing von Finanzderivaten, vor allem über die Plattformen Eurex (Deutsche Börse) und die europäischen Handelsplätze der Nasdaq. Die Untersuchung könnte jedoch auch Auswirkungen auf andere Bereiche der Finanzmarktinfrastruktur haben.
Relevanz für Marktteilnehmer
Sollten sich die Vorwürfe der Europäischen Kommission bestätigen, drohen empfindliche Sanktionen. Dazu zählen insbesondere Geldbußen von bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes. Neben den finanziellen Sanktionen sind auch Schadensersatzansprüche von Markt-Teilnehmern denkbar, die durch die mutmaßlichen Absprachen Nachteile erlitten haben.
Praktische Einordnung
Die Europäische Kommission betont, dass das Verfahren ergebnisoffen geführt wird. Dennoch ist klar: Kartellrechtliche Risiken im Bereich der Finanzmarktinfrastruktur geraten in den Fokus. Die Europäische Kommission hat im Finanzsektor mehrere bedeutende Kartellverfahren geführt. Bereits 2013 verhängte sie hohe Geldbußen gegen internationale Banken wegen Absprachen im Bereich der Euro-Zinsderivate (EURIBOR) und Yen-Zinsderivate (LIBOR). Dabei wurden vertrauliche Informationen ausgetauscht und Referenzzinssätze manipuliert, was zu Strafen in Milliardenhöhe. Diese Entscheidungen wurden später vor dem Gericht der EU überprüft und sind inzwischen weitgehend rechtskräftig, teilweise mit reduzierten Bußgeldern.
2019 folgte das sogenannte Devisenkartell (Forex), bei dem Händler großer Banken wie Barclays, Citigroup und JPMorgan ihre Handelsstrategien im Devisenmarkt abgestimmt hatten. Die Kommission verhängte Geldbußen von insgesamt über einer Milliarde Euro. Hier laufen noch Klagen vor dem Gericht der EU.
Ein weiteres Verfahren betraf den Markt für Credit Default Swaps (CDS). Die Kommission stellte 2016 fest, dass zwar Wettbewerbsprobleme bestanden, das Verfahren aber ohne Geldbußen eingestellt wurde.
Insgesamt zeigen diese Fälle, dass die Kommission im Finanzsektor konsequent gegen Absprachen vorgeht, um Transparenz und Vertrauen in die Märkte zu sichern. Finanzdienstleister sind deshalb gut beraten, ihre Compliance-Strukturen im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht zu stärken und interne Prozesse auf mögliche Risiken hin zu überprüfen.
Verweise
EURIBOR / Euro-Zinsderivate, AT.39914 – Euro Interest Rate Derivatives; 2013/2016: LIBOR / Yen-Zinsderivate, AT.39861 – Yen Interest Rate Derivatives, Devisenkartell (Forex), AT.40135 – Forex (Foreign Exchange spot trading market), Credit Default Swaps (CDS), AT.39745 – Credit Default Swaps)