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Die Verordnung (EU) 2024/3015 über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt ("EU-Zwangsarbeitsverordnung" oder "ZAV") soll Produkte, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, vom EU-Binnenmarkt verbannen. Sie ist am 13. Dezember 2024 in Kraft getreten und gilt ab dem 14. Dezember 2027 unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten.
I. Zentrale Regelung
Die EU-Zwangsarbeitsverordnung soll auf europäischer Ebene zur Verwirklichung des UN-Ziels beitragen, Zwangsarbeit bis zum Jahr 2030 weltweit zu beenden. Dazu statuiert sie das Verbot, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen und bereitzustellen oder aus dem Unionsmarkt auszuführen und verfolgt daher einen produktbasierten Ansatz (ähnlich wie die EUDR und CBAM).
Hervorzuheben ist der weite Anwendungsbereich der Verordnung. Persönlich erfasst sie alle Wirtschaftsakteure, also "jede natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung, die Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt oder bereitstellt oder Produkte ausführt". Es ist jede Vertriebsform erfasst, auch der Fernabsatz, d.h. insbesondere online angebotene Produkte, wenn sich das Angebot an Endnutzer in der EU richtet. Insbesondere gibt es keine Ausnahme für kleine und mittlere Unternehmen ("KMU"), sodass die Verordnung auf zahlreiche Unternehmen Anwendung findet, die aufgrund ihrer Größe bislang von Rechtsakten wie dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ("LkSG") oder der EU-Lieferkettenrichtlinie ("EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive" oder "CSDDD") ausgenommen waren. Sachlich sind von dem Verbot Produkte erfasst, bei denen auf einer beliebigen Stufe der Lieferkette Zwangsarbeit eingesetzt wurde. Die Verordnung bedient sich bei der Definition von Zwangsarbeit der Definition des Übereinkommens Nr. 29 der International Labour Association ("ILO"). Das Übereinkommen definiert Zwangsarbeit als "jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat". Praktischer Vorteil des Verweises ist die Harmonisierung mit der CSDDD, die ebenfalls die Definition aus dem ILO-Übereinkommen nutzt.
Bei einem Verstoß können die Behörden das Inverkehrbringen, die Bereitstellung oder die Ausfuhr der betreffenden Produkte untersagen. Zudem können sie anordnen, dass betroffene Produkte zurückgenommen oder aus dem Verkehr gezogen werden. Für den Fall, dass ein Unternehmen einer solchen Anordnung nicht nachkommt, schreibt die Verordnung Sanktionen vor, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen und von den Mitgliedstaaten zu erlassen sind. Diese Sanktionen müssen der Kommission bis zum 14. Dezember 2026 mitgeteilt werden, wobei die Kommission bis zum 14. Juni 2026 Leitlinien für die Mitgliedstaaten über die Methode zur Berechnung der finanziellen Sanktionen und zu den geltenden Schwellenwerten zur Verfügung stellt.
Ist eine Lieferkette von strategischer oder kritischer Bedeutung für die Union betroffen, kann die Behörde davon absehen, das betreffende Produkt aus dem Verkehr zu ziehen und den Wirtschaftsakteur anweisen, das Produkt zurückzuhalten, bis nachgewiesen wird, dass die Zwangsarbeit beseitigt wurde. Sind nur austauschbare Komponenten des Produkts von Zwangsarbeit betroffen, kann angeordnet werden, dass lediglich das betroffene Teil aus dem Verkehr gezogen wird. Zu beachten ist, dass die Zwangsarbeit tatsächlich beendet werden muss. Eine Änderung der Lieferkette durch den Wechsel von Lieferanten reicht nach den Erwägungsgründen ausdrücklich nicht aus.
II. Überwachung und Durchsetzung
Die Einhaltung des Verbots wird durch die EU-Kommission und nationale Behörden überwacht, bei denen auch die Beweislast für einen Verstoß liegt. Die EU-Kommission untersucht Verdachtsfälle außerhalb der EU, während nationale Behörden für nationale Verdachtsfälle zuständig sind. Die Durchsetzung von Entscheidungen erfolgt durch die nationalen Behörden. Das durch eine nationale Behörde erteilte Verbot wird von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und gilt damit EU-weit.
Um nachzuweisen, dass ein Produkt aus Zwangsarbeit stammt, sind Ermittlungen bei den Unternehmen erforderlich. Auf Grundlage eines risikobasierten Ansatzes sollen die Behörden schwere Fälle priorisieren und sich auf besonders risikobehaftete Produkte, Wirtschaftszweige und Unternehmen konzentrieren. Ergänzend wird die EU-Kommission eine Datenbank mit verlässlichen Informationen über Zwangsarbeitsrisiken einrichten. Diese Datenbank im zentralen Portal gegen Zwangsarbeit soll Unternehmen dabei unterstützen, Verstöße gegen die Verordnung zu vermeiden. Zudem wird die EU-Kommission bis zum 14. Juni 2026 zahlreiche Leitlinien veröffentlichen (u.A. zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit Zwangsarbeit und Informationen zu den Risikoindikatoren). Hierdurch sollen insbesondere KMU unterstützt werden.
III. Verhältnis zu LkSG und CSDDD
Die EU-Zwangsarbeitsverordnung ergänzt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie die CSDDD.
Das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene LkSG (verpflichtet in den Anwendungsbereich fallende große Unternehmen, neben umweltbezogenen auch menschenrechtliche Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten zu erfüllen. Die Definition von Zwangsarbeit in der ZAV entspricht auch der Definition, die das LkSG zugrunde legt, sodass LkSG und ZAV korrespondieren.
Auch die am 25. Juli 2024 in Kraft getretene CSDDD - deren Anwendung durch die im Rahmen des ersten Omnibus-Pakets beschlossene „Stop-the-Clock“-Richtlinie zeitlich weiter verschoben wird - stellt menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten auf. Diese umfassen die Verpflichtung, Maßnahmen zur Verhinderung von Zwangsarbeit zu ergreifen.
Durch die EU-Zwangsarbeitsverordnung sollen keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten für die Wirtschaftsakteure eingeführt werden als jene, die bereits im Unionsrecht oder im nationalen Recht vorgesehen sind. Die Untersuchungsverantwortung liegt in erster Linie bei der Kommission und den Mitgliedstaaten. Faktisch müssen Unternehmen jedoch sorgfältig ihre Lieferketten prüfen, um zu vermeiden, dass Produkte verschuldensunabhängig aus dem Verkehr genommen werden.
IV. Fazit
Die EU-Zwangsarbeitsverordnung ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen moderne Sklaverei und Zwangsarbeit. Sie ergänzt das LkSG und die CSDDD. Originäre neue Sorgfaltspflichten ergeben sich zwar nicht, da die Verordnung weit gefasst ist, aber keine konkreten Verpflichtungen aufgegeben werden. Dennoch müssen Unternehmen Maßnahmen zur Verhinderung von Zwangsarbeit ergreifen, um die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen und Sanktionen zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für KMU, die bislang nicht verpflichtet waren. Zudem führt die EU-Zwangsarbeitsverordnung anders als das LkSG und die CSDDD unmittelbare produktbezogene Pflichten ein und macht die Einhaltung des Zwangsarbeitsverbots damit zur Voraussetzung für die Marktfähigkeit von Produkten in der EU. Abschließend ist zu beachten, dass es – anders als mit Blick auf das LkSG und die CSDDD – bislang keine Anzeichen dafür gibt, dass die Anforderungen aus der EU-Zwangsarbeitsverordnung sowie die scharfen Rechtsfolgen abgeschwächt werden sollen.
Mitarbeit an diesem Insight: Yannick Häntzschel (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)