Wettbewerber in der Asphaltherstellung dürfen kooperieren, um die Produktion von Asphalt umweltfreundlicher zu gestalten
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Insight

Wettbewerber in der Asphaltherstellung dürfen kooperieren, um die Produktion von Asphalt umweltfreundlicher zu gestalten

Lea Josten
18/12/2024
A nighttime street scene with multiple painted white arrows on the pavement, pointing in different directions. The street and arrows are illuminated by vibrant, colorful lights, creating a surreal, almost neon effect. Blurred light trails from vehicles can also be seen.

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Germany

Am 9. Dezember 2024 hat die niederländische Behörde für Verbraucher und Märkte (ACM) beschlossen, dass niederländische Asphalthersteller kooperieren dürfen, um die Produktion von Asphalt umweltfreundlicher zu gestalten. Zu diesem Ergebnis gelangt die ACM, nachdem der Branchenverband Bouwend Nederland der niederländischen Bau- und Infrastrukturindustrie angefragt hatte, ob eine solche Zusammenarbeit zulässig sei. Ziel der Asphalthersteller ist es, auf Asphalt mit einer niedrigeren Produktionstemperatur umzusteigen, da dies die Umweltbelastung verringert. Dieses Vorhaben soll von allen Asphaltherstellern in den Niederlanden unterstützt werden.

Hintergrund

Die Bouwend Nederland, der führende Branchenverband der Bau- und Infrastrukturunternehmen in den Niederlanden, hatte für die beabsichtigte Zusammenarbeit um eine informelle Bewertung der Kooperationsinitiative bei der ACM erbeten. Die vorliegende Kooperationsinitiative soll dazu beitragen, die ökologischen Auswirkungen der Asphaltherstellung zu verringern und die Branche insgesamt umweltfreundlicher zu gestalten. Hierbei soll die Produktionstemperatur bei der Asphaltherstellung gesenkt werden, indem der Verband kollektiv das Ziel ausrufe, auf sog. Warmgemischasphalt umzusteigen.

Die ACM bietet einen sog. Collaboration-Test an. Hierbei handelt sich um ein Verfahren, dass Unternehmen dabei helfen soll, Nachhaltigkeitsvereinbarungen auf potenzielle wettbewerbsrechtliche Bedenken bezüglich der Kooperationen zu prüfen. Der Test ermöglicht es Unternehmen, ihre geplante Zusammenarbeit zum Zwecke der Nachhaltigkeit im Vorfeld mit der Behörde zu überprüfen, um sicherzustellen, dass diese Kooperation den Wettbewerbsregeln entspricht und keine wettbewerbswidrigen Auswirkungen hat. Im Rahmen der Bewertung potenzieller wettbewerbsrechtlicher Bedenken wird berücksichtigt, wie weitreichend positive Effekte der geplanten Zusammenarbeit auf die Nachhaltigkeit sind.

Entscheidung und Bedingungen der Nachhaltigkeitskooperation im Rahmen der behördlichen Prüfung

Im Rahmen der informellen Bewertung hat die ACM bei der Zusammenarbeit der Asphalthersteller keine Einwände festgestellt. Geprüft wurde, ob die zwischen Wettbewerbern geplante Initiative im Einklang mit den Regeln von Nachhaltigkeitsvereinbarungen steht. Da die Vereinbarung einen Beitrag zum Übergang zur Nachhaltigkeit leiste, wurde diese als Nachhaltigkeitsvereinbarung eingestuft. Im Ergebnis stellte die Behörde fest, dass durch die Initiative keine spürbare Gefahr einer Wettbewerbseinschränkung bestehe. Dabei legte diese auch Bedingungen fest, auf denen diese Bewertung basiere und die im vorliegenden Fall alle erfüllt seien.

Der Zugang zu der Kooperation stehe zudem allen Asphaltherstellern in den Niederlanden offen, weshalb es zu keiner Diskriminierung komme. Die Nachhaltigkeitsinitiative sei nach Ansicht der Behörde in ihrer Ausgestaltung transparent und gelte für alle interessierten Wettbewerber. Des Weiteren werde auch in der externen Kommunikation deutlich gemacht, dass die Initiative freiwillig sei und die Unternehmen selbst entscheiden könnten, ob sie sich an dieser beteiligen, ob sie mehr oder ausschließlich Warmasphalt liefern und wann sie dies tun. Es dürfte keine direkte oder indirekte Verpflichtung für Unternehmen geben, sich an den Standards zu beteiligen.

Ebenfalls schließe die Zusammenarbeit nicht aus, dass andere Wettbewerber ihre Nachhaltigkeitsstandards höher setzten oder sich der Zusammenarbeit nicht anschließen. Es würden durch die Initiative weder Innovationen noch Nachhaltigkeitsbemühungen eingeschränkt.

Darüber hinaus erfolge durch die Kooperation auch kein Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen. Ein Informationsaustausch finde nur insoweit statt, wie er für die Entwicklung, Annahme oder Änderung notwendig sei. Sensible Informationen wie Produktionsmethoden, Kosten, Preise oder strategische Entscheidungen seien vom Austausch ausgeschlossen.

Nach Ansicht der Behörde habe die Kooperation auch keine nennenswerte Auswirkung auf den Wettbewerb. Insbesondere seien keine Qualitätsminderungen zu befürchten, da die Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis erfolge. Die Behörde berücksichtigte zudem, dass die Qualität der unterschiedlichen Asphaltarten vergleichbar und weiterhin eine ausreichende Produktvielfalt gewährleistet sei. Demnach trage die Zusammenarbeit dazu bei, die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten, ohne die Qualität des Produkts zu beeinträchtigen.

Auch sei keine Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch einen spürbaren Preisanstieg zu befürchten. Zwar ließe sich ein Anstieg der Produktionskosten nicht vollständig ausschließen, jedoch sei keine signifikante Preiserhöhung zu befürchten, da die Asphaltkosten nur einen geringen Anteil der Gesamtkosten für den Straßenbau ausmachten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass etwaige Mehrkosten aufgrund von Investitionen durch Einsparungen bei Erdgas und CO₂-Lizenzen begrenzt würden. Ebenso seien auch keine Verringerung der kundenseitigen Einkaufsoptionen zu befürchten, da die Wahl der Produktionsmethode weiterhin stark von der Nachfrage der Kunden abhänge und der größte Teil des Asphalts über Ausschreibungen verkauft werde. Es sei nicht davon auszugehen, dass ein Hersteller seine Verfahren vollständig umstelle, sondern zunächst beide Verfahren parallel anbiete.

Die Kooperation beinhalte auch keine Vereinbarungen über eine etwaige Kostenweitergabe, da die Entscheidung hierüber durch die Hersteller erfolge. Asphalthersteller hätten aufgrund des bestehenden Ausschreibungsmarktes einen großen Anreiz den Preis gering zu halten. Demnach begründe sich auch hieraus kein gefährdender Einfluss auf den Wettbewerb. In der Entscheidung wird jedoch auch darauf verwiesen, dass zu beobachten bleibe, ob eine Umstellung im Rahmen der Zusammenarbeit zu einem deutlichen Anstieg des Preisniveaus führe. Nach aktuellem Stand sei dies jedoch nach Ansicht der ACM nicht zu befürchten.

Kommentar

Der Beurteilungsmaßstab der ACM beruht erkennbar auf den Ausführungen der Horizontal-Leitlinien der Europäischen Kommission. Hiernach erfolgt eine kartellrechtliche Prüfung von Nachhaltigkeitskooperationen zwischen Wettbewerbern in zwei Schritten. In einem ersten Schritt muss geprüft werden, ob die Vereinbarung zwischen den Unternehmen eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt, also ob ein Verstoß gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB / Art. 101 Abs. 1 AEUV) vorliegt. Ein Verstoß gegen das Kartellverbot kann dabei bereits im ersten Schritt ausgeschlossen sein, wenn die Nachhaltigkeitskooperation keine spürbaren wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen entfaltet. Hiervon ist auszugehen, wenn die Kriterien des sog. "Soft-Safe-Harbour" als informell geschützter Bereich der Horizontalleitlinien erfüllt sind.

Enthält die Vereinbarung jedoch wettbewerbsbeschränkende Bestimmungen, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob die wettbewerbsfördernden Wirkungen der Vereinbarung (Effizienzgewinne, wie z.B. eine Erhöhung der Produktvielfalt und -qualität, eine Verbesserung der Produktions- und Vertriebsverfahren oder eine Steigerung der Innovation) die festgestellten wettbewerbswidrigen Auswirkungen aufwiegen und die vereinbarten Beschränkungen zur Erreichung dieser Ziele unerlässlich sind. Ist dies der Fall, kann die Wettbewerbsbeschränkung zulässig und daher nach § 2 GWB / Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sein.

Das Bundeskartellamt bietet Unternehmen, ebenso wie die niederländische AGC, ein solches informelles Prüfverfahren an, um die kartellrechtliche Zulässigkeit von Nachhaltigkeitskooperationen zwischen Unternehmen zu überprüfen.

Links

Pressemitteilung der ACM

Fallbericht der ACM