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Die EU-Kommission (Kommission) hat ein Bußgeld gegen das französische Modehaus Pierre Cardin und seinen größten Lizenznehmer Ahlers wegen wettbewerbswidriger Praktiken verhängt. Die Unternehmen hatten über Jahre hinweg den grenzüberschreitenden Handel mit Pierre Cardin-Markenkleidung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) illegal eingeschränkt. Der Fall reiht sich in eine Serie ähnlicher Verstöße ein, bei denen die EU-Kommission in den letzten Jahren verstärkt gegen wettbewerbswidrige Lizenzvereinbarungen vorgeht, insbesondere im Rahmen ihrer Initiative zur Förderung des E-Commerce.
Der Verstoß
Pierre Cardin ist ein französisches Modehaus, das seine Marke lizenziert, um Dritten die Herstellung und den Vertrieb von Kleidung der Marke Pierre Cardin zu ermöglichen. Ahlers lizensierte die Markenrechte und avancierte zum größten Vertreiber der Pierre Cardin-Marke im EWR. Die Ermittlungen in diesem Fall begannen mit unangekündigten Durchsuchungen bei Ahlers am 22. Juni 2021. Am 31. Januar 2022 leitete die Kommission dann ein formelles Verfahren ein und übermittelte den Parteien am 31. Juli 2023 eine Mitteilung über die Beschwerdepunkte.
Die Ermittlungen der Kommission ergaben, dass Pierre Cardin und Ahlers zwischen 2008 und 2021 wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen und abgestimmte Verhaltensweisen praktiziert haben. Damit sollte der Ahlers vor Konkurrenz in jenen Ländern des EWR, in denen das Unternehmen eine Pierre Cardin-Lizenz besaß, geschützt werden. Dies stellt einen Verstoß gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des EWR-Abkommens dar. Denn die Vereinbarungen verhinderten in der Praxis, dass andere Pierre Cardin-Lizenznehmer und deren Kunden die Markenkleidung außerhalb ihrer lizenzierten Gebiete oder an Niedrigpreishändler (insb. Discounter) verkaufen konnten. Dies betraf sowohl den Online- als auch den Offline-Handel und zielte darauf ab, Ahlers einen "absoluten Gebietsschutz" in den von seinen Lizenzvereinbarungen abgedeckten EWR-Ländern zu gewährleisten.
„Dieses Verhalten hat unseren Binnenmarkt illegal fragmentiert. Es hat Verbraucher daran gehindert, nach einem besseren Angebot zu suchen und von einer größeren Auswahl zu profitieren.“ – Margrethe Vestager, geschäftsführende Vizepräsidentin der EU-Kommission und EU-Kommissarin für Wettbewerb
Das Bußgeld
Die Gesamtstrafe beläuft sich auf 5,737 Millionen Euro, wobei Pierre Cardin 2,237 Millionen Euro und Ahlers 3,5 Millionen Euro zahlen muss. Bei der Festsetzung der Bußgelder berücksichtigte die Kommission verschiedene Faktoren wie die Schwere des Verstoßes, dessen geografische Reichweite und Dauer. Einem der beiden Unternehmen wurde aufgrund nachgewiesener eingeschränkter Zahlungsfähigkeit eine Reduzierung der Strafe gewährt. Um welche der beiden Parteien es sich handelt, wurde nicht veröffentlicht. Die verhängten Bußgelder fließen in den allgemeinen EU-Haushalt und reduzieren entsprechend die Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten im Folgejahr – was letztlich den Steuerzahlern zugutekommt. Die Unternehmen haben nun die Möglichkeit, gegen die Entscheidung vor europäischen Gerichten Berufung einzulegen.
Hintergrund
Händler und Einzelhändler versuchen, Produkte auf dem Binnenmarkt zu beschaffen, wo die Preise niedriger sind, und sie auf Märkten zu verkaufen, auf denen die Preise höher sind. Dies führt in der Regel zu Preissenkungen in Ländern, in denen die Preise höher sind. Beschränkungen dieses Parallelhandels können zur Isolation eines nationalen Marktes führen, wodurch der Hersteller oder Lieferant höhere Preise zum Nachteil der Verbraucher verlangen kann. Sie können auch zu einer geringeren Produktvielfalt führen. Daher stellen Beschränkungen des Parallelhandels nichtregulatorische Hindernisse für ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes dar und gehören zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen.
In den letzten Jahren sind Lizenzvereinbarungen nach einer eingehenden Studie über den elektronischen Handel immer stärker in den Fokus der Kommission gerückt. Die EU-Kommission hat in ähnlichen Fällen bereits 2019 Sanrio mit 6,2 Millionen Euro für die Beschränkung des Handels mit Merchandising-Artikeln wie Tassen, Bettwäsche und Spielzeug bestraft. Im gleichen Jahr wurde Nike mit 12,5 Millionen Euro für die Einschränkung des Verkaufs von Merchandising-Artikeln von Fußballvereinen wie FC Barcelona, Juventus und Manchester United belegt.
Kommentar und Einordnung in die Praxis
Die aktuelle Entscheidung der EU-Kommission gegen Pierre Cardin und Ahlers wegen wettbewerbswidriger Gebietsbeschränkungen im Lizenzvertrieb markiert einen weiteren wichtigen Präzedenzfall für die kartellrechtliche Bewertung von Vertriebssystemen. Die Entscheidung reiht sich in eine verschärfte Durchsetzungspraxis der Kommission ein, wie die ähnlich gelagerten Fälle Nike und Sanrio zeigen. Für die Unternehmenspraxis bedeutet dies, dass Lizenzverträge und Vertriebssysteme dringend auf kartellrechtswidrige Gebietsbeschränkungen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden sollten – insbesondere im Hinblick auf Beschränkungen des Online-Handels und den Schutz vor Niedrigpreishändlern.
Weiterführende Links
Pressemitteilung der Kommission vom 09.07.2019 (Geldbuße gegen Sanrio i.H.v. 6,2 Millionen Euro)
Pressemitteilung der Kommission vom 25.05.2019 (Geldbuße gegen Nike i.H.v. 12,5 Millionen Euro)