Restrukturierung der Aktionärsstruktur nach dem StaRUG am Beispiel des Restrukturierungs-verfahrens der VARTA AG
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Insight

Restrukturierung der Aktionärsstruktur nach dem StaRUG am Beispiel des Restrukturierungs-verfahrens der VARTA AG

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In jüngerer Zeit wurde medial vielfach über die Restrukturierung des seinerzeit noch börsennotierten Batterieherstellers VARTA AG berichtet. Aufsehen erregte insbesondere die vollständige Übernahme der Gesellschaft durch den früheren (mittelbaren) Mehrheitsaktionär und einen Investor unter Ausschluss sämtlicher übriger Aktionäre. 

Umgesetzt wurde die umfassende Restrukturierung im Rahmen eines sog. StaRUG-Verfahrens. Der zugrundeliegende Restrukturierungsplan wurde zwischenzeitlich gerichtlich bestätigt und eine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde der "enteigneten" Minderheitsaktionäre wurde verworfen. Die gerichtlichen Entscheidungen zeigen das enorme gesellschaftsrechtliche Gestaltungspotenzial des erst seit wenigen Jahren zur Verfügung stehenden Restrukturierungsverfahrens.

I. Rechtlicher Hintergrund der Entscheidungen

Durch das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) haben sich neue Optionen für die Sanierung von Gesellschaften in der Krise ergeben. Es ermöglicht Gesellschaften ab Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit unter bestimmten Voraussetzungen eine umfassende Restrukturierung auf Basis eines sog. Restrukturierungsplans. Ein wesentlicher Unterschied zum Insolvenzverfahren besteht darin, dass ein solches Restrukturierungsverfahren keine sämtliche Gläubiger der Schuldnerin umfassende Wirkung entfaltet, sondern es der Geschäftsführung erlaubt, punktuell Eingriffe in die Rechtsstellung bestimmter Gläubigergruppen (beispielweise Finanzierungsgläubiger) vorzusehen, die zur nachhaltigen Sanierung erforderlich sind. Neben Eingriffen in die Rechtsstellung von Fremdkapitalgebern können nach §§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 4 StaRUG insbesondere auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an der Schuldnergesellschaft beteiligten Personen gestaltet werden.

Zur Wirksamkeit des Restrukturierungsplans ist dessen Annahme durch die Planbetroffenen erforderlich. Hierzu stimmen diese in auf Basis ihrer Rechtsstellung gebildeten Gruppen über den Plan ab. Zur Annahme des Restrukturierungsplans ist grundsätzlich in jeder Gruppe eine Zustimmung mit mindestens drei Viertel der Stimmrechte erforderlich, wobei anders bei einer konsensualen "freien" außergerichtlichen Sanierung eine fehlende Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen auch ersetzt werden kann (sog. gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung). Ein angenommener Restrukturierungsplan kann von dem Restrukturierungsgericht bestätigt werden und entfaltet dann auch Wirkungen gegenüber den Planbetroffenen, die gegen den Plan gestimmt haben.

Der Restrukturierungsplan der VARTA AG sah neben Eingriffen in die Rechtsstellung bestimmter Fremdkapitalgeber auch eine Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft auf Null verbunden mit einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss für die Minderheitsaktionäre vor. Zur Zeichnung der jungen Aktien wurden nur der bisherige (mittelbare) Mehrheitsaktionär sowie ein weiterer Investor zugelassen, die sich im Plan zur Leistung von Sanierungsbeiträgen verpflichteten. Für die zahlreichen Streubesitzaktionäre hatte dies zur Folge, dass sie mit dem Wirksamwerden des Plans ihre Aktien an der VARTA AG kompensationslos verloren. Zugleich erlosch auch die Börsenzulassung der Altaktien.

Der Plan wurde von sämtlichen Gruppen mit Ausnahme der Gruppe der Minderheitsaktionäre angenommen. Verschiedene Minderheitsaktionäre widersprachen zudem dem Restrukturierungsplan und/oder stellten Anträge auf Versagung der Planbestätigung und/oder Minderheitenschutzanträge. Die VARTA AG beantragte die gerichtliche Bestätigung des Plans und die Zurückweisung der gestellten Versagungsanträge.

II. Entscheidungen zum Restrukturierungsverfahren der VARTA AG

1. Amtsgericht (AG) Stuttgart, Beschl. vom 11.12.2024 – Az. 6 RES 1243/24

Das AG Stuttgart als Restrukturierungsgericht bestätigte den Restrukturierungsplan, da es keinen Versagungsgrund erkennt und das Vorliegen der Voraussetzungen einer Zustimmungsfiktion bejaht.

Im Hinblick auf das gesellschaftsrechtliche Gestaltungspotenzial des StaRUG ist insbesondere Folgendes interessant:

a. Minderheitenschutzanträge unzulässig und unbegründet

Die Minderheitenschutzanträge der Minderheitsaktionäre wurden unter anderem abgelehnt, weil die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hätten und für das Gericht auch ansonsten nicht zu erkennen sei, dass diese voraussichtlich durch den Plan schlechter gestellt würden, als sie ohne den Restrukturierungsplan stünden.

Bereits die Zulässigkeit solcher Anträge erfordere im Allgemeinen eine substantiierte Darlegung von Tatsachen, aus denen die voraussichtliche Schlechterstellung folge. Zu verlangen sei eine gehaltvolle Auseinandersetzung mit der im Plan enthaltenen Vergleichsrechnung. Diesen strengen Maßstäben seien die Antragsteller nicht nachgekommen.

Die Minderheitenschutzanträge seien darüber hinaus auch unbegründet, da auch im Übrigen keine Schlechterstellung der Antragsteller durch den Plan erkennbar sei. Vergleichsmaßstab sei das mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmende nächstbeste und umsetzbare Alternativszenario zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Der Restrukturierungsplan sah als Alternative allein die Insolvenz der Gesellschaft an, weil weitere Alternativangebote wegen der Liquiditätslage weder eingeholt noch umgesetzt werden könnten. Es gebe keinen alternativen Restrukturierungplan und alternative Pläne würden auch von den Planinvestoren nicht unterstützt. In diesem Alternativszenario seien die Aktien als wertlos anzusehen, da die Aktionäre erst nach Befriedigung sämtlicher (auch nachrangiger) Insolvenzgläubiger an einem Erlös beteiligt würden (§ 199 S. 2 InsO) und daher keine Zuflüsse zu erwarten hätten.

Zudem wären die Minderheitenschutzanträge auch deshalb unbegründet, da im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Mittel für den Fall bereitgestellt seien, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweise.

b. Gruppeneinteilung nicht zu beanstanden

Die Unterteilung der Aktionäre in zwei Gruppen (Mehrheitsaktionär und Minderheitsaktionäre) sei nicht zu beanstanden.

Erforderlich sei, dass die Differenzierung anhand der gleichlaufenden bzw. sich unterscheidenden wirtschaftlichen Interessen erfolge. Dies setze voraus, dass die wichtigsten restrukturierungsbezogenen wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder einer Gruppe übereinstimmen, worunter die mit dem Planziel einhergehenden Erwartungen, Handlungsspielräume, Konsequenzen und Befriedigungsaussichten zu verstehen seien.

Auf dieser Grundlage sei die Differenzierung sachgerecht, da der Mehrheitsaktionär sich – anders als die größtenteils nicht einmal bekannten Minderheitsaktionäre – als sanierungswillig und – infolge der Erbringung eines belastbaren Sanierungsbeitrags als sanierungsfähig erweise. Die Art und der Umfang des Sanierungsbeitrags unterschieden sich massiv von dem, was von einzelnen Minderheitsaktionären ggf. zu erwarten sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass einzelne Minderheitsaktionäre zur Erbringung von Sanierungsbeiträgen bereit gewesen wären, da sich die strategischen und wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Minderheitsaktionäre maßgeblich von denen der Mehrheitsaktionärin und der dahinterstehenden Unternehmensgruppe unterschieden und diese überdies bis zuletzt nicht konkret dargelegt hätten, inwieweit von ihnen Sanierungsbeiträge erbracht werden könnten.

c. Kapitalmaßnahmen sind zulässige Planinhalte

Die Kapitalherabsetzung auf Null und die anschließende Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre seien zulässige Planinhalte.

Bei beiden Maßnahmen handele es sich um in § 7 Abs. 4 Satz 3 StaRUG ausdrücklich benannte Gestaltungsmöglichkeiten. Der Gesetzgeber habe sich gegen weitere Voraussetzungen eines Bezugsrechtsausschlusses nach dem StaRUG entschieden, sodass es auch keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung bedürfe, da die im StaRUG abschließend geregelten Schutzinstrumente, insbesondere das Schlechterstellungsverbot, gesellschaftsrechtliche Regelungen überlagern würden.

Der vollständige Ausschluss des Bezugsrechts für alle Aktionäre mit gleichzeitiger Einräumung eines alleinigen Bezugsrechts für nur einen (bisherigen oder neuen) Aktionär nach Durchführung einer Kapitalherabsetzung auf Null verstoße auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, da nach einer solchen Kapitalherabsetzung keine Aktionäre mehr vorhanden seien, die gleich zu behandeln wären. Die Einräumung eines Bezugsrechtes für nur einen (bisherigen) Aktionär erfolge nicht für diesen in seiner Eigenschaft als bisheriger Anteilsinhaber, sondern in seiner Eigenschaft als Eigenkapitalgeber für die Gesellschaft, wie es auch für einen sonstigen Inverstor erfolgen würde, der erstmals Gesellschaftsanteile erwirbt. Wenn dieser bezugsberechtigte Aktionär seinen für die Restrukturierung erforderlichen Sanierungsbeitrag davon abhängig macht, dass das Bezugsrecht der übrigen Aktionäre ausgeschlossen wird, und wenn es auch keine alternativen Eigenkapitalgeber gebe, erfolge der Bezugsrechtsausschluss auch im Interesse der Gesellschaft, da nur so ihr Fortbestand gesichert werden könne.

d. Zustimmungsfiktion wegen gruppenübergreifender Mehrheitsentscheidung

Die fehlende Zustimmung der Gruppe der Minderheitsaktionäre gelte als erteilt, da die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als sie ohne einen Plan stünden, und sie angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden würden, der auf der Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (Planwert).

2. Landgericht (LG) Stuttgart, Beschl. vom 21.01.2025 – 1 T 12/24

Das LG Stuttgart hat die sofortigen Beschwerden mehrerer Minderheitsaktionäre gegen den Planbestätigungsbeschluss als unzulässig verworfen, da keiner der Beschwerdeführer eine wesentliche Schlechterstellung durch den Plan glaubhaft gemacht habe, die nicht durch Zahlung der im Plan für diesen Fall vorgesehenen Mittel ausgeglichen werden könnte. Keiner der Beschwerdeführer habe Umstände dargelegt oder präsente Beweismittel eingeführt, die die Annahme einer sicheren wesentlichen Schlechterstellung mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% ermöglichen bzw. ein konkretes realistisches Alternativszenario dargestellt, das eine solche Schlechterstellung belege.

Insbesondere das Argument mehrerer Beschwerdeführer, dass bei einer Insolvenz zumindest in einer Zwischenphase aufgrund der zunächst bestehen bleibenden Börsenzulassung die Möglichkeit zum Verkauf der Aktien verbliebe, überzeugte das LG Stuttgart nicht, da diese Möglichkeit auch aktuell noch bis zur abschließenden Umsetzung des Restrukturierungsplans bestünde und keine plausiblen Gründe dafür ersichtlich seien, dass die Aktien nach Insolvenzantragstellung bzw. Insolvenzeröffnung (wesentlich) mehr wert sein sollten als aktuell.

3. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschl. vom 28.02.2025 – 1 BvR 418/25

Das BVerfG hat die gegen die vorgenannten Beschlüsse erhobene Verfassungsbeschwerde einzelner Minderheitsaktionäre nicht zur Entscheidung angenommen, da es an einer hinreichend substantiierten Auseinandersetzung mit den angegriffenen Beschlüssen, namentlich der Erwägung des LG Stuttgart, dass keine wesentliche Schlechterstellung vorliege, fehle.

Rechtliche Bewertung und Folgen für die Praxis

Das Restrukturierungsverfahren der VARTA AG steht sinnbildlich für die Zeitenwende im Restrukturierungsrecht, die das StaRUG als weitere Option zwischen der konsensualen "freien" außergerichtlichen Sanierung und der Sanierung mittels Insolvenz(plan)verfahren einläutete. Wegen der vielen Gemeinsamkeiten zwischen Restrukturierungs- und Insolvenzplan war es nur eine Frage der Zeit, bis die Gestaltungsspielräume für gesellschaftsrechtliche Maßnahmen auch in diesem Restrukturierungsrahmen abgesteckt werden und die bezüglich des Insolvenzplanverfahrens geführten Diskussionen unter anderen Vorzeichen geführt werden.

Schließlich illustriert der Fall VARTA AG eindrücklich, dass den Gesellschaftern der Schuldnergesellschaft, insbesondere auch Minderheitsaktionären, bereits ab Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ein Totalverlust ihrer bisherigen Beteiligungen droht. Sie können sich gegen solche Restrukturierungspläne in der Regel nur wehren, wenn sie darlegen können, dass sie durch den Plan schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden. In der Insolvenz dürften die Anteile an der Schuldnergesellschaft vielfach als wertlos anzusehen sein und an den Nachweis hinreichend konkreter und umsetzbarer Alternativszenarien haben die involvierten Gerichte in den oben genannten Entscheidungen hohe Anforderungen gestellt. Es dürfte daher für die ausgeschlossenen Gesellschafter vielfach schwierig sein, sich gegen solche Maßnahmen im Rahmen eines StaRUG-Verfahrens zu wehren. Auch wenn die vorerwähnte Verfassungsbeschwerde mangels Substantiierung zu keiner sachlichen Entscheidung des BVerfG – insbesondere mit Blick auf das "Aktien-"Eigentum (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz) – führte, unterstreicht die Entscheidung des BVerfG die praktischen Nachweisschwierigkeiten.

Für Unternehmen in der Krise verdeutlicht der Fall umgekehrt, dass das StaRUG mit seinen umfangreichen Sanierungsmöglichkeiten sich mittlerweile fest als wirkungsvolles Verfahren etabliert hat, dass in Restrukturierungssituationen stets als Alternative zur freien außergerichtlichen Sanierung und der Insolvenz in Betracht gezogen und auf seine Eignung für den konkreten Fall geprüft werden sollte.