Locations
Weitere Informationen: Corona-Überbrückungshilfen
Kontakt zu unseren Expert:innen: Jetzt eine E-Mail schreiben
Die Corona-Überbrückungshilfen stellen Steuerberater vor große Herausforderungen - nicht nur bei der Antragstellung und Schlussabrechnung, sondern auch im Umgang mit ablehnenden oder rückfordernden Bescheiden der Bewilligungsstellen. Viele Steuerberater erwägen, selbst Widerspruch einzulegen oder Klage zu erheben, um die Interessen ihrer Mandanten zu vertreten. Davon ist jedoch aus mehreren Gründen dringend abzuraten.
1. Fehlendes Fachwissen im Verwaltungsrecht
Steuerberater sind Experten im Steuerrecht, verfügen aber in der Regel nicht über die nötige Expertise im Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht. Die Überbrückungshilfen folgen jedoch den Regeln des Verwaltungsrechts, nicht des Steuerrechts. Dies kann zu gravierenden Fehlern bei der Einlegung von Rechtsbehelfen führen.
Ein typisches Beispiel ist die irrtümliche Einlegung eines "Einspruchs" statt eines Widerspruchs. Wir sehen häufig, dass Steuerberater unzulässige "Einsprüche" erheben. Im Verwaltungsrecht gibt es kein Einspruchsverfahren wie im Steuerrecht. Steuerberater, die gewohnheitsmäßig einen Einspruch einlegen, riskieren, dass der Rechtsbehelf als unzulässig verworfen wird.
2. Formelle Fehler bei der Klageerhebung
Die formellen Anforderungen an eine Klageerhebung im Verwaltungsprozess unterscheiden sich deutlich von denen im finanzgerichtlichen Verfahren. Steuerberater, die nicht regelmäßig Verwaltungsprozesse führen, laufen Gefahr, formelle Fehler zu begehen, die zur Unzulässigkeit der Klage führen können.
So haben bereits eine Reihe von Verwaltungsgerichten Klagen von Steuerberatern als unzulässig zurückgewiesen, weil die Steuerberater nicht die Formvorschriften der elektronischen Klageerhebung beachtet haben. So entstehen in der Praxis hohe Haftungssummen.
3. Prozessuale Besonderheiten im Verwaltungsprozess
Der Verwaltungsprozess folgt anderen Regeln als das finanzgerichtliche Verfahren. Steuerberater, die diese Besonderheiten nicht kennen, können unbeabsichtigt Nachteile für ihre Mandanten verursachen. So gelten im Verwaltungsprozess strengere Regeln für die Einführung neuer Tatsachen und Beweismittel nach Abschluss des Schlussabrechnungsverfahren oder Widerspruchsverfahrens (sofern es ein solches überhaupt noch gibt). Eine unzureichende Sachverhaltsdarstellung im Verwaltungsverfahren kann daher im späteren Klageverfahren nicht ohne Weiteres korrigiert werden nach der aktuellen Rechtsprechung.
4. Konflikt der Rollen als prüfender Dritter und Prozessbevollmächtigter
Steuerberater fungieren bei den Überbrückungshilfen als "prüfende Dritte". Wenn sie gleichzeitig als Prozessbevollmächtigte auftreten, vermischen sich diese Rollen in problematischer Weise. Dies kann zu Interessenkonflikten führen und die Glaubwürdigkeit des Steuerberaters als neutraler Prüfer in Frage stellen.
Zudem fallen Steuerberater, die als Prozessbevollmächtigte auftreten, als potenzielle Zeugen aus. Gerade bei Streitigkeiten um die Plausibilität von Angaben im Antrag kann dies nachteilig für den Mandanten sein.
5. Erhöhte Haftungsrisiken
Die Übernahme der Prozessführung durch den Steuerberater birgt erhebliche Haftungsrisiken. Fehler im Prozess, die auf mangelnder Erfahrung im Verwaltungsrecht beruhen, können zu Schadensersatzansprüchen des Mandanten führen. Diese Risiken gehen weit über die übliche Haftung bei der steuerlichen Beratung hinaus.
6. Fehlende Erfahrung in der Prozessführung
Die erfolgreiche Führung eines Verwaltungsgerichtsverfahrens erfordert taktisches Geschick und Erfahrung, die Steuerberater in der Regel nicht haben. Die Einschätzung von Prozessrisiken, die Wahl der richtigen Argumentation und der Umgang mit prozessualen Besonderheiten sind Fähigkeiten, die erst durch regelmäßige Prozessführung erworben werden.
7. Ressourcenbindung und Vernachlässigung der Kernkompetenzen
Die Vorbereitung und Durchführung von Gerichtsverfahren ist zeitintensiv. Steuerberater, die sich darauf einlassen, riskieren, ihre eigentlichen Aufgaben in der steuerlichen Beratung zu vernachlässigen. Dies kann negative Auswirkungen auf die Qualität der Dienstleistungen für andere Mandanten haben.
8. Komplexität der Rechtsfragen bei den Überbrückungshilfen
Die rechtlichen Fragen rund um die Überbrückungshilfen sind hochkomplex und teilweise noch ungeklärt. Sie erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit den spezifischen Regelungen der Überbrückungshilfen, dem EU-Beihilferecht und der sich entwickelnden Rechtsprechung. Diese Spezialisierung können Steuerberater neben ihrem Tagesgeschäft kaum leisten.
9. Risiko der Überforderung im Gerichtsverfahren
Die Bewilligungsstellen werden in Gerichtsverfahren oft von erfahrenen Rechtsanwälten oder eigenen Juristen vertreten. Steuerberater ohne entsprechende Prozesserfahrung laufen Gefahr, in der mündlichen Verhandlung überfordert zu sein und die Interessen ihrer Mandanten nicht optimal vertreten zu können.
Fazit und Handlungsempfehlung
Angesichts dieser vielfältigen Risiken ist Steuerberatern dringend zu empfehlen, von einer eigenen Klageerhebung in Sachen Überbrückungshilfen abzusehen. Stattdessen sollten sie ihren Mandanten raten, für Widerspruchs- und Klageverfahren spezialisierte Rechtsanwälte mit Erfahrung im Verwaltungsrecht hinzuzuziehen.
Steuerberater sollten sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren: die sorgfältige Vorbereitung der Anträge und Schlussabrechnungen, die Plausibilisierung der Angaben und die steuerliche Beratung im Zusammenhang mit den Überbrückungshilfen. In Kooperation mit spezialisierten Anwälten können sie ihren Mandanten so den bestmöglichen Service bieten, ohne sich selbst rechtlichen und haftungsrechtlichen Risiken auszusetzen.
Durch eine klare Rollentrennung - Steuerberater als prüfender Dritter, Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter - wird zudem die Glaubwürdigkeit beider Berufsgruppen gestärkt. Dies kann sich positiv auf den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten auswirken und dient letztlich dem Interesse der Mandanten an einer erfolgreichen Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Überbrückungshilfe.